Caligula - Eine Biographie
formuliert, «aus Begierde nach der Herrschaft» (Tac.
ann.
14, 2, 2) eine Liebesbeziehung zu Lepidus eingegangen. Eingeweiht waren größere Kreise der Senatorenschaft, unter anderem die beiden Konsuln, die zum 1. Juli ihr Amt angetreten hatten, also die obersten Magistrate des römischen Gemeinwesens. Die Verschwörer verfügten somit über militärischen Rückhalt im Reich, über breite Unterstützung in der Aristokratie, über die wichtigsten aktiven Amtsträger in Rom, über Mitglieder im engsten familiären Kreis des Kaisers – und damit zugleich auch über ein präsumtives Kaiserpaar, dessen männlichem Part Caligula durch seine Nachfolgepläne seinerzeit selbst Kaiserformat bestätigt hatte und dessen weiblicher Teil das dynastische Prestige des derzeitigen Kaisers mit in die Ehe brachte. Mit Agrippinas Sohn Nero ergab sich schließlich sogar eine Thronfolgeperspektive für die nächste Generation. Idealere Bedingungen für eine Verschwörung hat es wohl in der gesamten römischen Kaiserzeit nicht gegeben. Man mußte nur noch Caligula ermorden.
Es kam anders. Wer die Verschwörung verraten hat, wird nicht berichtet. Ihr voller Umfang scheint nicht von Anfang an aufgedeckt worden zu sein. Zunächst wurden offensichtlich nur Gaetulicus und senatorische Kreise in Rom verdächtigt. Caligula reagierte schnell und sachgemäß. In den ersten Septembertagen wurden die beiden Konsuln ihres Amtes enthoben. Der Kaiser ließ ihre
fasces,
die Rutenbündel, die ihr Amt und die damit verbundene Gewalt symbolisierten, zerbrechen. Einer von ihnen nahm sich daraufhin das Leben. An ihre Stelle wurden der erwähnte Domitius Afer, der dem kaiserlichen Freigelassenen Callistus nahestand, und ein als ehrgeizig bekannter Senator aus einer unbedeutenden Familie, AulusDidius Gallus, gesetzt. Vermutlich um dieselbe Zeit wurde dem Senat die letzte formell unter seiner Verwaltung stehende militärische Formation, die Legion in der Provinz Africa, entzogen und einem kaiserlichen Beauftragten unterstellt. Caligula selbst begab sich ohne erkennbare größere Reisevorbereitungen in die umbrische Stadt Mevania, brach dann aber von dort in einer Blitzaktion nach Germanien auf. Die Reisegeschwindigkeit soll so hoch gewesen sein, daß die Prätorianergarde ihre Feldzeichen auf Lasttiere packen mußte. Die Städte, die passiert wurden, bekamen den Befehl, die Straßen gegen den Staub mit Wasser zu besprengen. Im Gefolge Caligulas befanden sich Lepidus, Agrippina und Livilla. Noch hatte man keinen Verdacht gegen sie geschöpft.
Eine detaillierte Rekonstruktion dessen, was sich in den folgenden Wochen und Monaten ereignete, bereitet einige Schwierigkeiten. Denn was für die aus der Antike überlieferten Berichte über Caligula generell gilt, gilt für die große Verschwörung Mitte des Jahres 39 und den Zug des Kaisers nach Germanien in noch gesteigertem Maße. Obwohl die zentralen Fakten in beiläufigen Bemerkungen, zum Teil in Schilderungen, die Caligula selbst nur indirekt betreffen, explizit und unverdächtig berichtet werden, versuchen die antiken Historiker, die Handlungen, mit denen der Kaiser reagierte, als sinnlose Aktionen darzustellen, wobei sie sich allerdings stellenweise in eklatante Widersprüche verwickeln. So berichtet Dio, Caligula habe die
fasces
der Konsuln zerbrechen lassen, weil sie vergessen hätten, seinen Geburtstag angemessen feiern zu lassen, was immerhin die Datierung sichert. Sueton behauptet, der plötzliche Aufbruch Caligulas nach Germanien sei aus dem Plan erwachsen, seine germanische Leibwache, über die er wie seine Vorgänger auf dem Thron verfügte, zu ergänzen – und schreibt im selben Atemzug, zu diesem Zweck seien Legionen und Hilfstruppen aus dem ganzen Reich zusammengezogen, Neurekrutierungen durchgeführt und Vorräte «wie nie zuvor» angesammelt worden. Dio schreibt, die Bedrohung durch germanische Völkerschaften sei nur Vorwand gewesen, in Wirklichkeit habe der Kaiser den Kriegszug aus Geldnot initiiert, um das reiche Gallien ausplündern zu können – und erwähnt einige Sätze später, daß die zu diesem Zweck zusammengezogenenTruppen 200.000 bzw. 250.000 Mann stark waren und daß das in Gallien eingenommene Geld hauptsächlich zur Finanzierung eben jenes militärischen Aufgebotes verwandt wurde. Auch die Berichte über die Niederschlagung der Verschwörung und die kriegerischen Ereignisse in Germanien, die die beiden Autoren geben, lassen das Verhalten Caligulas teilweise als absurd und grotesk
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