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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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erscheinen und dokumentieren wieder einmal vor allem: So kann es
nicht
gewesen sein.
    Die Ereignisse sind in der modernen Forschung häufig diskutiert worden. Einiges läßt sich aufgrund der Quellenlage nicht mehr mit letzter Sicherheit feststellen, der Verlauf jedoch zumindest in groben Zügen plausibel nachzeichnen. Wie bei einer Reihe anderer verzerrender Darstellungen des Kaisers können auch hier als Basis dafür herangezogen werden: die erkennbare Gesamtkonstellation, parallele Quellenberichte über Einzelheiten in unverdächtigen Zusammenhängen und vor allem Informationen, die den Aussageabsichten Suetons und Dios widersprechen, die von ihnen aber aufgrund allgemeiner Bekanntheit offensichtlich nicht unterschlagen werden konnten.
    Klar ist zunächst, daß der überstürzte Aufbruch Caligulas in den Norden seinen vorrangigen Zweck erfüllte. Gaetulicus wurde überrascht und fand keine Zeit mehr, die vier Legionen, die ihm unterstanden, zu einem offenen Aufstand gegen den Kaiser zu formieren. Er wurde – vermutlich in Mainz – hingerichtet und durch Servius Sulpicius Galba, einen fähigen Feldherrn, der einige Jahrzehnte später für kurze Zeit Kaiser werden sollte, ersetzt. Erst hier nun scheint sich – vielleicht bedingt durch den Versuch des Gaetulicus, seinen Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen – das volle Ausmaß der Verschwörung offenbart zu haben. Lepidus, Agrippina und Livilla wurden als Mitwisser des gegen den Kaiser gerichteten Mordanschlags verurteilt. Lepidus wurde hingerichtet, die Schwestern wurden auf die Pontischen Inseln verbannt. Agrippina wurde zudem gezwungen, eine Urne mit den sterblichen Überresten ihres Geliebten Lepidus nach Rom zu bringen und die ganze Reise über an der Brust zu tragen. Caligula veröffentlichte handschriftliche Dokumente der Verurteilten, die die Planung der Verschwörung belegten, verteilte eine Geldspende an die Soldaten als Belohnung für die Treue zu ihm und sandte drei Schwerter,die zu seiner Ermordung gedacht gewesen waren, nach Rom, um sie als Weihegeschenke im Tempel des Mars Ultor («Mars, des Rächers») aufstellen zu lassen. Schließlich informierte er den Senat in einem Schreiben über den Anschlag, dem er entgangen war. Zudem verbot er für die Zukunft, irgendeinem seiner Verwandten Ehrungen zukommen zu lassen. Die Datierung der Ereignisse läßt sich aus einer fragmentarischen Inschrift der römischen Priesterschaft der Arvalbrüder rekonstruieren. Sie opferten am 27. Oktober 39 «wegen der Aufdeckung der verbrecherischen Pläne des Gnaeus Lentulus Gaetulicus gegen Gaius Germanicus». Zu diesem Zeitpunkt war jene somit nach Rom gemeldet worden, während die Beteiligung des Lepidus und der Schwestern des Kaisers noch nicht publik geworden war.
    Was in dem jungen Kaiser in diesen Tagen vorging, wird nicht berichtet, aber man kann es sich gut vorstellen. Diesmal waren es nicht, wie zu Beginn des Jahres, hochrangige Senatoren in Rom gewesen, die ihm nach dem Leben getrachtet hatten, sondern die Personen, die seit dem Sturz Macros den Kreis seiner engsten Vertrauten gebildet hatten. Ja, selbst seine Schwestern, diejenigen also, die ihm persönlich zweifellos am nächsten standen, hatten sich an dem Anschlag auf sein Leben beteiligt. Noch die vergleichsweise milde Behandlung beider dürfte die enge Beziehung dokumentieren, die zwischen den Geschwistern bestanden hatte. Ihre Verurteilung zum Tode – die übrigens den späteren Kaiser Nero verhindert hätte – wäre angesichts der vorgefallenen Ereignisse eine für römische Verhältnisse keineswegs übertriebene Reaktion gewesen. Welchen Personen, so lautete die Frage in diesem Augenblick, konnte der Kaiser fortan noch sein Vertrauen schenken? Verwandte – etwa sein Onkel Claudius – kamen zweifellos nicht mehr in Betracht, was durch das Verbot jeglicher Ehrung der kaiserlichen Familie unterstrichen wurde. Senatoren? Nicht mehr denkbar nach dem, was in diesem Jahr vorgefallen war.
    Auch in Rom, im Zentrum des Reiches, hatten die dramatischen Ereignisse allgemeine Verunsicherung zur Folge. Es wurden Prozesse angestrengt gegen Personen, denen konspirative Verbindungen zu den Schwestern und den hingerichteten Verschwörern nachgewiesen werden konnten. Sogar einige Ädileund Prätoren mußten – neben den zuvor schon ihres Amtes enthobenen Konsuln – ihre Ämter niederlegen und sich vor Gericht verantworten. Aber Unsicherheit bestand zweifellos auch für solche, die sich nicht beteiligt hatten. Die

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