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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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das sich hundert Jahre später um dieses Ereignis rankte: Sein Großvater habe ihm als Kind erzählt, was er selbst vom kaiserlichen Hofpersonal erfahren habe. Der Astrologe Thrasyllus hätte dem alten Kaiser Tiberius, als der wegen der Thronfolge seines Enkels Gemellus besorgt war, vorausgesagt, Caligula werde genausowenig Kaiser werden wie mit Pferden über die Bucht von Baiae reiten. Das ist nicht ganz stimmig – Caligula war ja längst Kaiser –, dokumentiert aber doch die Unglaublichkeit des realisiertenUnternehmens. Nach Dio stand das Ereignis im Zusammenhang mit Caligulas Ablehnung eines Triumphes: Er hätte es für gering erachtet, sich mit einem Pferd über das Festland ziehen zu lassen, und daher über das Meer fahren wollen.
    Tatsächlich weist die Inszenierung neben der Demonstration unbegrenzter Machtvollkommenheit symbolische Bezüge in mehreren Dimensionen auf. Der Zusammenhang mit den Ereignissen an der Kanalküste liegt auf der Hand: Der Kaiser dokumentierte, daß er hier in Italien, anders als im fernen Norden, nicht von der Gunst seiner Truppen und der Zustimmung seiner senatorischen Feldherrn abhängig war, ja daß er die Mittel hatte, die Soldaten zu Fuß über das Meer zu führen. Der Ritt von Bauli nach Puteoli erscheint so als symbolische Manifestation der kaiserlichen Fähigkeit, Britannien zu erobern. Der Ritt zurück, der – mit dem Kaiser als Wagenlenker und den Beutestücken – deutliche Elemente eines Triumphzuges aufwies, und das anschließende Fest auf der Brücke waren gewissermaßen die Überbietung des ihm entgangenen und von ihm selbst abgelehnten Triumphes in Rom. Auch das ironische Lob der Tapferkeit der «Freunde» und Soldaten und ihr abschließendes Bad im Meer verweisen auf die Ereignisse des Frühjahres. Sie dokumentierten, wem der Mißerfolg an der Kanalküste zuzurechnen war – zugleich aber auch die schon zuvor zu beobachtende Art Caligulas, mit Spott und persönlicher Demütigung auf Widerstände gegen seinen Herrschaftsanspruch zu reagieren.
    Die Ereignisse am Golf von Baiae sind jedoch noch in einer weiteren Hinsicht aufschlußreich. Sie bedeuteten eine zeremonielle Manifestation kaiserlicher Größe, die das übliche römische Zeichensystem bei der Darstellung sozialer Rangverhältnisse durchbrach. Die Erringung und Zurschaustellung von sozialer Ehre war in Rom ja traditionell an die Ausübung magistratischer Funktionen im Rahmen der politischen Organisation des städtischen Gemeinwesens gebunden: Aus Ämtern resultierte Ehre. Entsprechend bedeutete es die höchste Auszeichnung für einen römischen Aristokraten, wenn die politische Institution Senat ihm einen Triumphzug genehmigte, der mit großer Prachtentfaltung vor der versammelten römischen Bürgerschaft die Stadt durchzog und am Kapitolshügel seinenzeremoniellen Höhepunkt fand. Bemerkenswert ist somit, daß Caligula hier erstmals
außerhalb
der Stadt Rom und
unabhängig
vom Senat und der römischen Bürgerschaft auf neue Art vor einer großen Öffentlichkeit seine allen überlegene kaiserliche Stellung demonstrierte. Dies entsprach exakt seiner Ankündigung, sich vom Senat keine Ehren mehr erweisen zu lassen, und seiner Wahrnehmung der paradoxen Situation, die mit den Ehrungen eines Kaisers durch Senat und Aristokratie verbunden war. Der triumphale Ritt über das Meer war somit der erste Versuch Caligulas, seine Stellung als Monarch, der
über
der Aristokratie stand, durch neue zeremonielle Praktiken zu realisieren. Aber waren es wirklich neue Praktiken?
    Deutlich ist der Rückgriff auf ein Zeichensystem, das ursprünglich römische Elemente – vor allem des Triumphes – mit solchen nichtrömischer antiker Monarchien verband. Bezugspunkte waren die Perserkönige Xerxes und Dareios, die übertroffen werden sollten, sowie Alexander der Große, mit dem sich Caligula durch Anlegung des Brustpanzers symbolisch identifizierte. Das Zeremoniell auf der Brücke von Puteoli griff somit auf Elemente persischer und hellenistischer Herrscherrepräsentation zurück und durchbrach damit – trotz römischer Bestandteile – die römischen Traditionen in extremer Weise: Seit der Frühzeit, seit der sagenhaften Vertreibung der Könige, war die Monarchie in Rom nur als entartete Herrschaftsform schlechthin vorstellbar, als Tyrannis. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß die neue Umgebung, mit der sich Caligula seit der großen Verschwörung umgab, daß die «Tyrannenerzieher», wie man in Rom sagte, ihren Anteil

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