Caligula - Eine Biographie
an der neuen Inszenierung der kaiserlichen Stellung hatten. Daß damit ein Weg aus der paradoxen, schon mit viel Blut bezahlten Kombination von Alleinherrschaft und Republik gesucht wurde, werden sich die, auf deren Kosten das Neue durchgesetzt werden mußte, kaum eingestanden haben. Aber sie werden geahnt haben, daß Puteoli nur der erste Schritt war.
IV. Fünf Monate Monarchie
1. Die Unterwerfung der Aristokratie
An seinem 28. Geburtstag, dem 31. August des Jahres 40, zog Caligula nach einjähriger Abwesenheit mit einer Ovatio in Rom ein. Was dort in den letzten Monaten, nach den offenen Drohungen des Kaisers, vorgefallen war, können wir nur indirekt erschließen. Die Atmosphäre in diesen Tagen dürfte jener während der letzten Zeit des Tiberius geähnelt haben. Auch damals waren Denunziationen, Anklagen, Prozesse vor dem Senat, Folterungen und Hinrichtungen an der Tagesordnung gewesen. Die Frage war nun: Wie würde der junge Kaiser nach allem, was im zurückliegenden Jahr vorgefallen war, jetzt in Rom mit den Senatoren verfahren? Wie würde er seine Alleinherrschaft ohne Republik und ohne Aristokratie, die er bei seinem Ritt über das Meer öffentlich inszeniert hatte, nun in der altehrwürdigen Hauptstadt des Reiches, in Gegenwart von Senat und Aristokratie durchsetzen? Die Befürchtungen der römischen Oberschicht spiegeln sich in der mehrfach überlieferten Behauptung, Caligula habe geplant, nach seiner Rückkehr den gesamten Senat bzw. die Vornehmsten beider Stände zu beseitigen.
Er setzte tatsächlich auf Angst und Gewalt, aber in der ihm eigenen Art. Während Tiberius der Selbstzerstörung der Aristokratie in den Majestätsprozessen hilflos gegenübergestanden hatte, forcierte Caligula die Desintegration der vornehmen Gesellschaft Roms und nutzte sie in seinem Sinne. Er ließ die Aristokratie sich selbst erledigen. Das Ergebnis spiegelt sich in den Berichten der Quellen. Zwar wird mehrfach behauptet, vom Kaiser initiierte grundlose Hinrichtungen von Senatoren und hochrangigen Rittern seien an der Tagesordnung gewesen, merkwürdigerweise werden aber nur wenige Namen von Opfern genannt, und die Einzeluntersuchungen ihrer Fälle belegen den tendenziösen Charakter eines solchen Pauschalurteils.
So berichtet Seneca, der Kaiser habe nach einem langen Wortstreit mit dem stoischen Philosophen Iulius Canus dessen Hinrichtung angeordnet, woraufhin dieser ihm dafür spöttisch seinen Dank ausgesprochen hätte. Ohne Unruhe habe der bedeutendeMann die zehn Tage bis zu seinem Tod mit Brettspielen und philosophischen Gesprächen verbracht. Gegen ein Willkürurteil des Kaisers spricht jedoch einiges: Eine spätere Quelle berichtet, Canus sei von Caligula beschuldigt worden, Mitwisser einer Verschwörung zu sein; und unter Tiberius war auf Anregung des Kaisers beschlossen worden, den Übereifer des Senats in Majestätsprozessen zu bremsen, indem man eine Frist von genau zehn Tagen zwischen Urteil und Vollstreckung festlegte. Alles deutet somit darauf hin, daß Canus wegen einer Verschwörung angezeigt und vom Senat zum Tode verurteilt wurde.
Unklar ist der Fall des Iulius Graecinus, der ebenfalls in diese Zeit zu gehören scheint und von dem wiederum Seneca behauptet, er sei von Caligula getötet worden, weil er ein «besserer Mann» war, als es einem Tyrannen nützte. Bei ihm handelt es sich um den Vater des Agricola, des Schwiegervaters von Tacitus. In Tacitus’ Biographie des Agricola wird er als Beispiel für das dargestellt, was in diesen Tagen in Rom nicht anzutreffen war: standhaftes Verhalten gegenüber dem Kaiser. Er, der ein bedeutender Redner und Philosoph war, habe sich geweigert, den Marcus Silanus anzuklagen, und sei deshalb von Caligula beseitigt worden. Nun war Silanus etwa Anfang des Jahres 38 durch Selbstmord umgekommen, Agricola nach Tacitus’ eigenen Angaben aber erst am 13. Juni des Jahres, in dem Caligula sein drittes Konsulat bekleidete, also im Jahre 40 (und offensichtlich zu Lebzeiten seines Vaters) geboren worden. Was auch immer der Grund für den Tod des Graecinus war – die standhafte Weigerung, Silanus anzuklagen, kann es nicht gewesen sein.
Der einzige stichhaltige Fall von Mut und Stärke im Herbst 40 wird nicht von einem Senator, sondern von einer Frau berichtet, bei der es sich zudem noch um eine Freigelassene handelte. Bemerkenswert ist ferner, daß die Reaktion Caligulas nicht aus Grausamkeit, sondern aus Mitleid bestand. Ein hochrangiger Senator namens Pomponius war von
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