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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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seinem Freund (Dio) bzw. Feind Timidius (Iosephus) – beides war in dieser Zeit schwer zu unterscheiden – wegen einer Verschwörung (Dio) bzw. Majestätsbeleidigung (Iosephus) angezeigt worden. Timidius nannte als Zeugin Quintilia, eine Schauspielerin vonaußergewöhnlicher Schönheit, mit der Pomponius ein Liebesverhältnis unterhielt. Der Prätorianeroffizier Cassius Chaerea folterte Quintilia so, daß sie schließlich völlig entstellt war – ohne doch ihren Liebhaber, wenn er unschuldig war, denunziert oder, wenn der Vorwurf zutraf, verraten zu haben. Der Kaiser zeigte sich, als sie ihm vorgeführt wurde, von ihrem Zustand gerührt und von ihrem Verhalten beeindruckt. Er ließ Pomponius frei und gab Quintilia ein Geldgeschenk von 800.000 Sesterzen als Belohnung für ihre Standhaftigkeit.
    Allerdings denunzierten sich die Senatoren nicht nur gegenseitig, um ihre angebliche Besorgnis um des Kaisers Sicherheit zum Ausdruck zu bringen und sich damit persönliche Vorteile zu verschaffen. Einige versuchten, erneut zuzuschlagen und dem angestauten Haß auf den Kaiser Taten folgen zu lassen. Es kam zur dritten aristokratischen Verschwörung gegen Caligula, die ebenso erfolglos blieb wie die beiden vorhergegangenen. Seneca berichtet, Sextus Papinius, Sohn eines Konsulars, Betilienus Bassus, kaiserlicher Quästor und Sohn eines kaiserlichen Prokurators, sowie ein weiterer Senator seien von Caligula «aus Vergnügen» nachts bei Lampenschein im Rahmen einer Festgesellschaft von Damen und weiteren Senatoren mit Geißeln geschlagen, gefoltert und grausam umgebracht worden. Man hätte ihnen bei der Hinrichtung den Mund zugestopft, damit sie keine Schmähungen ausstoßen konnten. Ihre Väter seien noch in derselben Nacht von Zenturionen in ihren Häusern aufgesucht und ebenfalls getötet worden.
    Aus Dios Parallelbericht geht hervor, daß es sich nicht um grundlosen kaiserlichen Sadismus, sondern um die schnelle Niederschlagung der neuerlichen Verschwörung handelte. Dio erwähnt zudem, daß ein gewisser Anicius Cerialis (den er fälschlich für ein Opfer hält) in die Sache involviert war. Von diesem nun berichtet Tacitus in unverdächtigem Zusammenhang, daß er unter Nero durch besonderen Opportunismus auffiel: Er stellte nach der Pisonischen Verschwörung im Jahre 65 im Senat den Antrag, es solle dem göttlichen Nero ein Tempel auf Kosten des Gemeinwesens errichtet werden. Als Cerialis nicht viel später selbst angezeigt wurde und sich das Leben nahm, hatte man, so Tacitus, wenig Mitleid mit ihm, da man sich erinnerte, daß er seinerzeit eine Verschwörung gegen Caligulaverraten hatte. Senecas Darstellung, kurz nach dem Tod Caligulas verfaßt, erweist sich somit erneut als tendenziös und denunziatorisch. Er verschweigt die Verschwörung, auf die der Kaiser reagierte. Und: Im Versuch, die Aristokratie als sein hilfloses Opfer darzustellen, unterschlägt er die Aktivität eines Senators bei ihrem Verrat, an den man sich in Rom noch ein Vierteljahrhundert später erinnerte.
    Die Desintegration, die nach der dritten niedergeschlagenen Verschwörung innerhalb des Senatorenstandes herrschte, und die Art, wie Caligula sie ausnutzte, dokumentiert eine Episode, deren Glaubwürdigkeit gerade daraus hervorgeht, daß die aristokratischen Quellen sie berichten. Nach der Hinrichtung von Papinius und Bassus ordnete der Kaiser eine Senatssitzung an und gewährte den Mitgliedern des Hohen Hauses Straflosigkeit mit der zusätzlichen Bemerkung, es gebe nur wenige, gegen die er noch Groll hege – was die Angst und Unsicherheit unter den Anwesenden nur noch verschärfte. Bei einer späteren Senatssitzung ohne den Kaiser habe dann Protogenes, der bereits erwähnte Vertraute des Caligula, der für ihn Buch über das Verhalten der Aristokratie führte, das Senatsgebäude betreten. Als die Senatoren ihn begrüßten und ihm die Hand reichten, habe er einen stechenden Blick auf den Senator Scribonius Proculus geworfen und ihn gefragt: «Auch du willst mich grüßen, wo du doch den Kaiser haßt?» (Cass. Dio 59, 26, 2)
    Auch unter Augustus und Tiberius hatte der Vorwurf der Feindschaft mit dem Kaiser für die Betroffenen meist einen schnellen Tod bedeutet, da opportunistische Anklagen seitens senatorischer Standesgenossen und Verurteilungen durch den Senat insgesamt bzw. Selbstmorde die Folgen waren. Hier nun gingen die Senatoren ohne Gerichtsverfahren unmittelbar zur Sache. Nach Dio umringten sie ihren Kollegen noch im Senat und rissen ihn in

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