Caligula - Eine Biographie
Helikon, der einst dem Kaiser Tiberius geschenkt worden und dann zum Kammerdiener des Caligula avanciert war. Philo berichtet, daß er sich permanent in der Nähe des Kaisers aufhielt. Er machte sportliche Übungen mit ihm, begleitete ihn ins Bad, war zugegen beim Essen und wenn der Kaiser schlafen ging. Er scheint zudemLeibwächterfunktionen ausgeübt zu haben, beriet Caligula in seinen Entscheidungen, kontrollierte den Zugang zu ihm und nutzte seine Position zum eigenen Vorteil, indem er sich – so behauptet Philo, der schlechte Erfahrungen mit ihm machte – bestechen ließ.
Zum neuen engsten Kreis gehörte ferner die Kaiserin Caesonia, die Caligula eine Tochter geboren hatte und der er nach Angabe der Quellen in leidenschaftlicher Liebe zugewandt war. Auch sie galt als einflußreiche Beraterin und scheint von ihm während der Reise in den Norden als Vertrauensperson in Rom zurückgelassen worden zu sein. Schließlich kam auch den beiden Prätorianerpräfekten schon aufgrund ihrer Funktion große Bedeutung zu. Beide werden von Cassius Dio zusammen mit Callistus und Caesonia als die wichtigsten Vertrauten in der Umgebung des Kaisers bezeichnet.
Die genannten Personen traten in politisch prominenter Rolle alle erst seit der großen Verschwörung und dem Gallienaufenthalt Caligulas in Erscheinung. Dies zeigt, daß der Kaiser nach den Erfahrungen des Jahres 39 in der Ausgestaltung seiner Herrschaft bewußt neue Wege einschlug. Es handelte sich um eine Entaristokratisierung seiner engsten Umgebung und damit der politischen Zentrale des römischen Weltreiches. Den Hintergrund der Maßnahme bildete das kaiserliche Sicherheitsbedürfnis, und sie richtete sich gegen die traditionellen politischen Institutionen Roms – den Senat und die Magistratur. Auch außerhalb der Zentrale gewannen nämlich zur gleichen Zeit Personen herrschaftliche Bedeutung, die nichts mehr mit den alten Institutionen verband. So wird nach den Ereignissen an der Kanalküste berichtet, Caligula habe seinen Prokuratoren – Personen also, die die kaiserlichen Vermögensangelegenheiten regelten – aufgetragen, in Rom für den ursprünglich geplanten Triumph nach Belieben Gelder zu konfiszieren. Auch Offiziere der Prätorianergarde wurden mit der Einziehung von Steuern und rückständigen Abgaben beauftragt. Das heißt der Kaiser nutzte die ihm zur Verfügung stehenden häuslichen und militärischen Organisationsstrukturen zur Durchführung politischer Verwaltungsaufgaben, die ihnen bis dahin nicht zugekommen waren.
Nicht nur im Bereich der zentralen Herrschaftsorganisationfanden in jener Zeit grundlegende Veränderungen statt. Caligula nahm sich zudem ein Problem vor, das vor ihm noch kein Kaiser angegangen war: das Problem der sozialen Rangstellung des Kaisers selbst. Bisher hatten ja seine Vorgänger und auch er selbst sich vom Senat außergewöhnliche Ehren verleihen lassen, die sie zwar weit über die übrigen Mitglieder der Aristokratie erhoben, die aber gerade dadurch zugleich dem Kontext der traditionellen aristokratischen Rangordnung verhaftet blieben. Diese Rangordnung wiederum basierte auf senatorischen Amtsklassen (Konsulare, Prätorier usw.) und damit auf den Strukturen der alten republikanischen Magistratur, also auf einer politischen Ordnung, die eine Monarchie nicht nur nicht vorsah, sondern grundsätzlich ausschloß. Es handelte sich somit um einen paradoxen Vorgang: Gerade indem der Kaiser die alte aristokratische Rangordnung unterlief und sich selbst an ihre Spitze setzen ließ, dokumentierte er deren fortdauernde Gültigkeit und die Tatsache, daß er aus sich heraus über keinen eigenständigen monarchischen Rang verfügte. Indem er sich vom Senat auszeichnen ließ, bestätigte er, daß er die alte republikanische Institution zur Manifestation seiner sozialen Stellung benötigte. Während er sich ehren ließ, unterstrich er seine Ehrlosigkeit.
Caligula ist der einzige römische Kaiser, von dem berichtet wird, daß er genau diese Paradoxie durchschaute und zur Sprache brachte. Im Zusammenhang mit der ersten Senatsgesandtschaft nach der Aufdeckung der großen Verschwörung berichtet Dio, daß Caligula Ehrungen seiner Person durch den Senat fortan
unterband:
«Denn er wünschte ganz und gar nicht den Eindruck zu erwecken, daß irgend etwas, was ihm Ehre bringe, in den Händen der Senatoren liege; man könnte sonst glauben, sie seien stärker als er und in der Lage, ihm wie einem Niedrigerstehenden Gefälligkeiten zu erweisen. Und
Weitere Kostenlose Bücher