Caligula - Eine Biographie
Stücke. Sueton berichtet, er sei mit Schreibgriffeln durchbohrt und dann zerfleischt worden. Man habe seine Körperteile und Eingeweide durch die Straßen geschleift und vor dem Kaiser aufgehäuft. Sueton behauptet zugleich, Caligula selbst habe einzelne Leute – daß es Senatoren waren, erwähnt er nicht – zu dieser grausamen Aktion angestiftet, leugnet jedoch nicht, daß alle anderen mitmachten. In jedemFalle dokumentiert die Szene die Angst der Senatoren vor kaiserlichen Vergeltungsmaßnahmen und zugleich ihre Skrupellosigkeit bis hin zum Mord, mit der jeder einzelne auf Kosten der anderen seine Haut zu retten versuchte. Sicher war der Kaiser an der Inszenierung der Angelegenheit beteiligt. Er instrumentalisierte die Bereitschaft der Aristokratie zur – in diesem Fall ganz wörtlichen – Selbstzerfleischung in seinem Sinne, ohne sich selbst dabei die Hände schmutzig zu machen.
«Gaius freute sich darüber,» beschreibt Dio dessen Reaktion auf den Tod des Scribonius Proculus, «und erklärte den Senatoren, er sei nun wieder mit ihnen ausgesöhnt. Diese aber beschlossen ihm zu Ehren verschiedene Festlichkeiten, und außerdem sollte er sogar in der Kurie selbst, damit ihm niemand zu nahe komme, auf einer hohen Bühne sitzen und auch dort eine militärische Leibwache um sich haben.» (Cass. Dio 59, 26, 3) Die Bewachung des Kaisers im Senat, auf die auch Augustus in prekären Situationen zurückgegriffen hatte und die der Senat seinerzeit auch Tiberius angeboten hatte, zeigt, daß die Stimmung nach der mittlerweile dritten Verschwörung innerhalb von eineinhalb Jahren durch alles andere als Freude und Versöhnung bestimmt war. Sie dokumentierte zugleich erneut die Absurdität der paradoxen Kommunikation zwischen Kaiser und Aristokratie: Der Senat manifestierte in
einem
Beschluß seine Besorgnis um die kaiserliche Sicherheit und zugleich die Tatsache, daß seine Mitglieder, die diesen Beschluß faßten, dessen Leben bedrohten.
Die militärische Bewachung im Senat blieb nicht die einzige Folge der Verschwörung. Hinter der Fassade der Versöhnung erhöhte der Kaiser den Druck und verstärkte noch die Angst, der die Aristokratie ausgesetzt war. Iosephus berichtet, Caligula habe in jener Zeit Sklaven erlaubt, ihre Herren zu verklagen, was sie ihm zu Gefallen weidlich ausgenutzt hätten. Wenn man bedenkt, daß sich allein in den Stadtpalästen der Vornehmsten Roms zum Teil mehrere hundert Sklaven befanden und daß einige Herren ihre Hausgewalt, die bis zum Tötungsrecht reichte, alles andere als menschlich ausübten, so kann man sich die daraus resultierende Verunsicherung der Oberschicht lebhaft vorstellen. Nicht einmal in ihren Häusern waren sie nun mehr sicher vor Verrat oder Denunziation. Jedes offene Gesprächkonnte gefährlich werden. Das eigene Dienstpersonal konnte sie beliebig ans Messer liefern.
Die Maßnahme war freilich keine Innovation des Caligula, wie Iosephus suggeriert. Schon unter Tiberius waren zur Zeit Sejans Sklaven und Freigelassene gefoltert worden, um sie zu Aussagen gegen ihre Herren zu bewegen, und auch Claudius nutzte zwei Jahre später, nach der Aufdeckung der ersten großen Verschwörung gegen ihn selbst, Anzeigen von Sklaven und Freigelassenen gegen ihre Herren als Mittel zur Aufklärung der Hintergründe. Unter Caligula lernte er dieses Mittel in der Opferrolle kennen. Einer seiner Sklaven namens Polydeuces soll ihn – allerdings erfolglos – denunziert haben. Iosephus schreibt, Caligula sei selbst zur Gerichtssitzung gekommen und habe (vergeblich) gehofft, sein Onkel würde zum Tode verurteilt. Ob letzteres stimmt, sei dahingestellt. Der Bericht zeigt jedenfalls, daß der Kaiser keinen direkten Einfluß auf die Prozesse nahm: Wiederum überließ er es den Senatoren, ihre Standesgenossen abzuurteilen.
Damit nicht genug. Sueton berichtet ohne Zeitangabe, der Kaiser habe, um seine Einnahmen zu erhöhen, nicht nur verschiedene neue Steuern erhoben, sondern auch auf dem Palatin ein Bordell eingerichtet. In vielen abgeteilten und der Würde des Ortes entsprechend vornehm ausgestatteten Räumen hätten Matronen, also verheiratete römische Frauen, und freigeborene Knaben bereitgestanden. Dann habe er seine Nomenklatoren zu allen Märkten und Hallen geschickt und Alte und Junge zur Befriedigung ihrer Lust aufgefordert. Ihnen sei Geld gegen Zinsen geliehen worden, und kaiserliche Sekretäre hätten ihre Namen öffentlich aufgeschrieben, weil sie die kaiserlichen Einkünfte förderten.
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