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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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Wieder also eine bizarre Geschichte, die die «Verrücktheit» Caligulas demonstrieren soll, die aber erneut schon in sich widersprüchlich ist. Wer an Geldmangel leidet, läßt keine vornehmen Räumlichkeiten errichten und verleiht dann Geld gegen Zinsen. Hinter der Geschichte dürfte die härteste Maßnahme stecken, mit der der Kaiser nun den Vornehmsten zu Leibe rückte.
    Was wirklich vorgefallen ist, läßt sich aus Cassius Dios Bericht zum Ende des Jahres 40 erschließen (wo von einem Bordell nichts erwähnt wird). Demnach wohnten in den neuerrichteten Räumen nahe des kaiserlichen Palastes – also, so kann man ergänzen, unter unmittelbarer Zugriffsmöglichkeit der dort regelmäßig wachhabenden Prätorianerkohorte – «die Frauen der führenden Männer und die Kinder der vornehmsten Familien». Dio schreibt, Caligula habe jene dazu gezwungen und dabei finanziell geschädigt, bemerkt aber zugleich: «Die einen taten dies aus eigenem Willen, die anderen unwillig, wollten aber nicht den Eindruck erwecken, sie seien verärgert.» (Cass. Dio 59, 28, 9) Das einfache Volk hätte sich darüber und über «das Gold und Silber», das der Kaiser von ihnen eingesammelt hätte, gefreut.
    Sueton verschweigt somit, daß es die Frauen und Kinder der
protoi,
wie es bei Dio heißt, also der Konsulare waren, die dort wohnten, verdreht die Richtung der Geldzahlung und macht daraus ein Bordell. Läßt man letzteres weg und setzt beide Berichte in den Zusammenhang der nun schon häufiger beobachteten Art und Weise, in der der Kaiser traditionelle aristokratische Verhaltensregeln ausnutzte, so klären sich die Vorgänge. Zu erinnern ist daran, daß die Beziehungen zwischen Kaiser und Aristokratie äußerlich weiterhin in den alten Formen gegenseitiger Freundschaft abliefen – mit Morgenempfängen und abendlichen Gastmählern, mit gegenseitiger Unterstützung in materieller Hinsicht und gegenseitigen testamentarischen Schenkungen, wobei mittlerweile kaiserliche Nomenklatoren Buch über die für ihn selbst unüberschaubar gewordene Anzahl kaiserlicher Freunde führten. Schon nach der Verschwörung der Konsulare Anfang des Jahres 39 hatte Caligula die Doppelbödigkeit dieser Kommunikationsformen zynisch offengelegt, indem er der Aristokratie insgesamt ihre Feindschaft und ihren Haß auf ihn vorhielt, danach aber unter Hinweis auf die Freundschaft mit ihm, die niemand von sich weisen konnte, Geldzahlungen von einzelnen einforderte. Die höchste Form kaiserlicher Gunst wurde, wie wir aus verschiedenen Berichten von anderen Kaisern, zum Beispiel über Agrippa unter Augustus oder später über Titus Vinius, Cornelius Laco und Marcianus Icelus unter Galba, wissen, jenen zuteil, die der Kaiser auf dem Palatin bei sich in seinen Gebäuden als
familiares
wohnen ließ.
    Wieder einmal nahm also Caligula die vorgebliche Freundschaft der Aristokratie ihm gegenüber ernst. Er erwies der führendenSchicht der Konsulare Roms, die sich ja eben noch, nach niedergeschlagener Verschwörung, durch den Mord an Scribonius Proculus und durch die militärische Leibwache im Senat um seine Sicherheit bemüht hatten, eine außergewöhnliche Gunst: Er gestattete ihren Frauen und Kindern, auf dem Palatin zu wohnen, das heißt die größtmögliche Nähe zum Kaiser, an der sich ja alle so interessiert zeigten. Zugleich statteten seine Nomenklatoren, die über die kaiserlichen Freunde und die ausgetauschten Begünstigungen Buch führten, den Konsularen Besuche ab und baten die so Privilegierten um Gegengaben.
    Faktisch bedeutete dies natürlich, daß der Kaiser die Familienmitglieder der führenden Senatorenschicht als Geiseln auf dem Palatin unter die Bewachung seiner Prätorianergarde nahm und jene selbst zur Zahlung von Gold und Silber zwang. Aber eben in einer Form, die – man kann die paradoxen Verhältnisse nur paradox beschreiben – sie zur Freiwilligkeit (die Dio ja ausdrücklich bestätigt) nötigte. Das also war Caligulas Antwort auf den dritten Versuch, ihn zu ermorden. Er hatte es der Aristokratie erneut gezeigt und machte weiterhin demütigende Witze über sie: Bei einem festlichen Gastmahl brach er plötzlich in Lachen aus. Die beiden neben ihm lagernden amtierenden Konsuln fragten ihn höflich, worüber er denn lache. «Worüber wohl, wenn nicht darüber, daß ich euch beide durch ein bloßes Kopfnicken töten lassen kann?» (Suet.
Cal.
32, 3) Unterstellt man eine bestimmte Montagetechnik Suetons, die schon zu beobachten war und noch an weiteren

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