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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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Beispielen zu beobachten sein wird – die Technik, zynische Witze des Kaisers sinnentstellend wörtlich zu nehmen und dadurch seine Handlungen als wirr darzustellen –, dann dürfte Caligula in jenen Tagen noch einen weiteren Witz, und zwar über das neue Gebäude auf dem Palatin, die weiblichen und jugendlichen Bewohner und die daraus resultierenden Einnahmen, von sich gegeben haben: «Ich hab’ jetzt ein Bordell auf dem Palatin.»
    Teilt man die moralischen Maßstäbe Senecas (und bedenkt man, daß die Aristokratie selbst – und Seneca im Urteil der Aristokratie – nach diesen Maßstäben höchst lasterhaft war), so wird man ihm in seinen Superlativen zustimmen können: Caligula war derjenige Kaiser, der zeigte, «was höchste Lasteran der höchsten Stelle bewirken können». (Sen.
ad Helv.
10, 4) Die römische Aristokratie war am Ende. Ihr Widerstand war gebrochen.
2. Die Entehrung der Aristokratie
    Caligulas Maßnahmen gegenüber der Aristokratie nach seiner Rückkehr von den Feldzügen im Norden beschränkten sich nicht auf die Förderung von deren Selbstzerstörungskräften, auf die Unterstützung von Sklavendenunziationen und auf die Internierung konsularer Frauen und Kinder auf dem Palatin. Er machte sich zudem daran, das, was die Grundlage jeder Aristokratie bildet, zu zerstören: ihre Ehre. Schon nach der konsularen Verschwörung hatte er mit den Auszeichnungen seines Pferdes Incitatus die Hohlheit aristokratischer Ehre angesichts der neuen Herrschaftsverhältnisse persifliert. Nun, nach zwei weiteren Verschwörungen, wechselte er von der symbolischen auf die Ebene konkreter Handlungen. Iosephus und Sueton berichten, daß der Kaiser die Ehrenplätze für Senatoren und Ritter im Theater abschaffte. Die Folge war, daß Drängeleien und Raufereien vor den Vorstellungen stattfanden, daß sich die Vornehmsten der Gesellschaft mit Mitgliedern des einfachen Volkes um die Plätze streiten mußten und daß schließlich die Anordnung der Sitzenden dem Zufall überlassen blieb. Der Kaiser soll seinen Spaß daran gehabt haben. Die Schikane gegenüber der Aristokratie war sicherlich sein primäres Motiv, aber das entstandene Durcheinander machte doch zugleich offenbar, daß die Rangverhältnisse mittlerweile nur noch eingehalten wurden, wenn sie durch den Kaiser gesichert wurden, und daß sie obsolet waren, wenn diese Unterstützung ausblieb.
    Diese vom Kaiser in die Wege geleitete Aufhebung der traditionellen Gesellschaftsordnung durch die Gesellschaft selbst ging einher mit gezielten Entehrungen herausragender Mitglieder der Aristokratie. Mit seinem Onkel Claudius, dem aufgrund der verwandtschaftlichen Nähe zu ihm eine besondere Stellung zukam, verfuhr Caligula ähnlich wie seinerzeit mit Silanus. Er bestimmte, daß er im Senat stets erst als letzterder Konsulare seine Stimme abgeben durfte. Aufgrund der Identität von Abstimmungs- und Rangordnung wurde Claudius damit dauerhaft zum geringsten der Konsulare degradiert. Vor allem aber die noch vorhandenen Mitglieder des alten republikanischen Hochadels, der Nobilität, denen eine führende Rolle in der Gruppe der Konsulare zukam, waren nun an der Reihe. Caligula ließ die von Augustus auf das Marsfeld versetzten Statuen berühmter Männer der Zeit der Republik beseitigen und machte die Errichtung neuer Ehrenstatuen und Bildnisse für die Zukunft von seiner eigenen Entscheidung abhängig. Den lebenden Mitgliedern der vornehmen alten Familien untersagte er bestimmte, ihnen traditionell zukommende Ehrenzeichen, die an früheren Ruhm erinnerten. Einem Torquatus wurde seine Halskette, einem Cincinnatus die Haarlocke zu tragen verboten und einem Gnaeus Pompeius der Beiname «Magnus».
    Bei Pompeius läßt sich die Vorgehensweise Caligulas etwas genauer nachzeichnen. Einerseits kann man die Entehrungen – die Sueton ohne Zeitangabe berichtet und damit als unmotiviert darstellt – anhand seines Falles relativ genau datieren: Noch Anfang des Jahres 40 erscheint er, der mütterlicherseits Urururenkel des berühmten Pompeius Magnus war, auf einer Inschrift mit seinem vollständigen Namen. Das Verbot des Beinamens ist daher unter die Maßnahmen des Kaisers nach seiner Rückkehr nach Rom einzuordnen. Andererseits berichtet Dio die Begründung, mit der Caligula die Entehrung vornahm: Er bemerkte, «es sei gefährlich für jemanden, wenn er Magnus (‹der Große›) heiße.» (Cass. Dio 60, 5, 9)
    Dieser Ausspruch könnte auch von einem modernen Sozialhistoriker stammen:

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