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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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verurteilten Senatoren in seiner Gegenwart empfanden, hat sich in verschiedenen Schilderungen erhalten: «Gaius Caesar», schreibt Seneca, «war zu allen Lastern, an denen er reich war, von verletzender Art. Er ließ sich immer wieder von einer erstaunlichen Sucht hinreißen, alle mit irgendeiner hämischen Bemerkung zu treffen.» Und Seneca zahlt es ihm sofort mit gleicher Münze heim, indem er sein Auftreten schildert: «So krasse Scheußlichkeit von Blässe, die vom Wahnsinn zeugte, eignete ihm, solch wilder Blick der tief unter einer Altweiberstirn liegenden Augen, solche Mißgestalt von kahlem und mit erbettelten Haaren geputztem Kopf. Nimm hinzu den von Borsten besetzten Nacken und die Magerkeit der Beine und die riesenhafte Größe derFüße.» (Sen.
de const. sap.
18, 1) Laut Sueton machte Caligula seinen Gesichtsausdruck, «der ohnehin von Natur aus schrecklich und finster war, absichtlich dadurch noch wilder, daß er vor dem Spiegel ausprobierte, wie seine Mienen den größten Schrecken und panische Angst einjagten.» (Suet.
Cal.
50, 1)
    Ob Caligulas Füße wirklich so groß waren und ob er vor dem Spiegel Grimassen übte, läßt sich nicht mehr überprüfen. Festzuhalten ist zunächst noch einmal, daß die von Seneca und Sueton als genereller Charakterzug des Kaisers geschilderten Verhaltensweisen sich lediglich auf die Zeit nach seiner Rückkehr nach Rom im Herbst 40 beziehen können. Bis zur Verschwörung der Konsulare hatte er, wie Iosephus und Dio belegen, die Aristokratie zuvorkommend behandelt, und nach der großen Verschwörung war er ein Jahr von Rom abwesend gewesen. Der Schrecken, den er fortan auf die Senatoren ausübte, und deren systematische Entehrungen waren somit Teil der bewußten neuen kaiserlichen Verhaltensstrategie. Viel davon, vor allem die Demütigungen einzelner, wird man dem persönlichen Rachebedürfnis des Kaisers zurechnen und als Antwort auf die Vorfälle des Vorjahres sowie auf die neuerliche Verschwörung deuten müssen. Aber die zitierten Äußerungen Caligulas über die paradoxe Ehrenstellung des Kaisers innerhalb der senatorischen Gesellschaft zeigen, daß es ihm um mehr ging: Die aristokratische Rangordnung als solche sollte zerstört und der Lächerlichkeit preisgegeben werden.
3. Der Kaiser als «Gott»
    «Lucius Vitellius war es, der als erster die Sitte einführte, Gaius Caesar als Gott zu verehren; als er nämlich aus Syrien zurückkehrte, wagte er es nicht, anders vor ihn zu treten als mit verhülltem Haupt, wobei er sich herumdrehte und dann zu Boden warf.» (Suet.
Vit.
2, 5) So berichtet Sueton vom Vater des späteren Kaisers, der vermutlich Anfang des Jahres als Statthalter von Syrien abgelöst worden war und seitdem um sein Leben fürchtete. Dio ergänzt: Um sich zu retten, habe Vitellius sich unstandesgemäß gekleidet und dem Kaiser zu Füßen geworfen. Er habe ihm viele Götternamen beigelegt, Gebete zugerufenund schließlich gelobt, ihm zu opfern. Vitellius vollzog also vor Caligula einen Ritus, der Elemente römischer religiöser Kultpraxis (verhülltes Haupt) und die fußfällige Verehrung des vergöttlichten Herrschers (Proskynese), wie sie im Orient und im Hellenismus bekannt war, verband. Das Beispiel machte Schule.
    Nach Caligulas Begnadigung des Pomponius, so wiederum Dio, hätten die Senatoren den Kaiser «teils aus Furcht, teils auch aus ehrlicher Überzeugung» gelobt. Die einen hätten ihn Heros, also Halbgott, die anderen sogar Gott genannt (Cass. Dio 59, 26, 3–5). Man ging noch weiter. Auf Senatsbeschluß wurde dem Kaiser ein Tempel errichtet, in dem er göttlich verehrt werden sollte. Es wurde eine Priesterschaft gebildet, die für den Kaiserkult zuständig war. «Den Vorsitz im Priesteramt verschafften sich abwechselnd immer die Reichsten, wobei einer den anderen aus Ehrgeiz mit gewaltigem Geldaufwand zu überbieten versuchte.» (Suet.
Cal.
22, 3) Nach Dio «kamen all die Ehrungen, die man ihm als Gott erwies, nicht nur aus der Masse, welche stets irgend jemandem zu schmeicheln gewohnt ist, sondern auch von seiten hochangesehener Männer» (Cass. Dio 59, 27, 2). Was war mit den römischen Senatoren passiert? Waren sie vor Angst verrückt geworden? Keineswegs. Ihr Verhalten war weniger überraschend, als es auf den ersten Blick erscheint.
    Der antike Götterhimmel hing erheblich tiefer als der des Christentums, das sich in jener Zeit vom Orient her auszubreiten begann. In den tradierten Mythen bewegten sich die Götter auch schon mal unter

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