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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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Menschen auf der Erde und stellten zum Beispiel attraktiven sterblichen Frauen nach. Umgekehrt war es seit dem vierten Jahrhundert v. Chr. in Griechenland möglich, Personen, die durch große Macht und unermeßlichen Reichtum das Menschenübliche übertrafen, als Heroen oder Götter zu bezeichnen und entsprechend zu verehren, was in hellenistischer Zeit zu Kulten für einzelne Könige und ihre Dynastien führte. Römische Senatoren, die zur Zeit der Republik den griechischen Osten erobert hatten, kannten dies aus eigener Anschauung, da ihnen dort gleiche Verehrungen zuteil geworden waren. Schließlich wurden auch die Kaiser und Mitglieder ihrer Familien im Osten des Reiches und bald auch in den westlichen Provinzen in städtischen Kulten als Götter verehrt.Caligula selbst hatte dies als Kind während der Orientreise mit seinen Eltern kennengelernt.
    In Rom lagen die Dinge etwas komplizierter. Schon Iulius Caesar waren vor seiner Ermordung vom Senat verschiedene göttliche Ehren angetragen worden. Er wurde als «Iuppiter Iulius» bezeichnet, es sollte ein Tempel für ihn und seine «Milde»
(clementia)
errichtet werden, und Marcus Antonius wurde zu seinem Priester ernannt. Augustus wurde von den Dichtern seiner Zeit, von Ovid, Horaz und Properz, mehrfach als Gott tituliert, und unter Tiberius kam es erneut zu Versuchen auch verschiedener Senatoren, den Kaiser mit einer göttlichen Aura zu versehen und sich auf diese Weise hervorzutun. So wird berichtet, daß man die kaiserlichen Tätigkeiten als «heilige Beschäftigungen» bezeichnete, daß vor den Bildern des Kaisers und Sejans wie vor Götterbildern Opfer dargebracht wurden oder daß einzelne Senatoren sich vor dem Kaiser zu Boden warfen.
    Die Vorstellung, als Gott zu erscheinen, scheint für die so Geehrten nicht ganz unattraktiv gewesen zu sein. Schon Alexander der Große und andere hellenistische Könige waren gelegentlich in Kostümen verschiedener Gottheiten aufgetreten, und auch römischen Senatoren waren solche Inszenierungen nicht fremd: Beim Triumph, der höchsten Auszeichnung, die man erlangen konnte, erschien der siegreiche Feldherr in einer Aufmachung, die ihn Iuppiter, dem höchsten Gott des römischen Gemeinwesens, anglich. Er trug ein Zepter, die palmenbestickte Tunika und schminkte sein Gesicht mit roter Farbe, alles Elemente, die als typische Attribute dieses Gottes galten. Von Oktavian, dem späteren Augustus, wird berichtet, daß er während der Triumviratszeit ein «Zwölf-Götter-Mahl» veranstaltete, bei dem die Teilnehmer als unterschiedliche Götter auftraten und er selbst den Apollon darstellte. Sein Rivale Antonius stand nicht zurück. Er ließ sich im Osten des Reiches als «Neuer Dionysos» verehren und trat mit den zugehörigen Kostümen und Attributen auf.
    Mit der Einrichtung seiner Stellung als Prinzeps im Jahre 27 v. Chr. änderte Augustus jedoch, ähnlich wie in vielen anderen Bereichen, auch hier seine Verhaltensweisen aus der Zeit der Bürgerkriege. Fortan lehnte er göttliche Ehrungen im inneraristokratischenKontext Roms grundsätzlich ab. Sie widersprachen diametral seinem Ziel, die Akzeptanz seiner Stellung als Alleinherrscher durch die Wiederbelebung republikanischer Formen und durch die ehrende Gleichbehandlung des Senatorenstandes zu sichern. Als Kaiser scheint er darauf gedrängt zu haben, daß kultische Verehrungen auch im Reich nicht allein ihm selbst, sondern zugleich auch der Stadt Rom gelten sollten, so daß Tempel für
Roma et Augustus
geweiht wurden. Ähnlich verhielt sich Tiberius. Er stand solchen Ehrungen seiner Person ablehnend gegenüber – und erntete dafür sogar senatorische Kritik, wie Tacitus berichtet. Statt dessen erlaubte er zum Beispiel im Jahre 23 den Städten der Provinz Asia, einen Tempel gemeinsam für ihn selbst, seine Mutter Livia und den Senat zu errichten. Schmeicheleien einzelner Senatoren, die ihn entsprechend erhöhen wollten, scheint er als ausgesprochen widerwärtig empfunden zu haben. Wenn er das Senatsgebäude verließ, soll er regelmäßig «Oh, diese Sklavenseelen!» gemurmelt haben (Tac.
ann.
3, 65, 3).
    Senatorische Versuche, die Kaiser göttlich zu verehren, hatte es also vor Caligula schon in genügender Zahl gegeben. Sie bedeuteten nicht, daß man die Kaiser für übermenschliche Wesen hielt, sondern waren Teil der doppelbödigen Kommunikation, die sich mit dem Kaisertum in Rom etabliert hatte. Die ersten beiden Kaiser hatten diese Entwicklung zu blockieren versucht, weil sie zu

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