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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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spielte… Sonst erschien er gewöhnlich in der Öffentlichkeit in einem Seiden- oder Triumphgewand.» (Cass. Dio 59, 26, 10) Und auch Sueton erwähnt neben Göttergewändern die Kleidung des Triumphators, edelsteinbesetzte Mäntel oder Seidengewänder, in denen der Kaiser sich normalerweise sehen ließ. Dem entspricht, daß die konkreten Berichte über Caligulas Verhaltensweisen seit dem Herbst 40 (und zuvor) überhaupt nichts von außergewöhnlicher Kleidung oder gar göttlichen Attributen erwähnen. Es handelte sich also um einzelne Inszenierungen, nicht um eine dauerhafte zeremonielle Einrichtung, die man bei der Etablierung eines «Gottkönigtums» zu erwarten hätte. Gegen einen institutionalisierten göttlichen Personenkult spricht schließlich das völlige Schweigen der nichtliterarischen Quellen. Es existiert keine einzige Inschrift und keine einzige Münze, auf der der Kaiser im stadtrömischen Kontext als Gott tituliert oder mit göttlichen Attributen dargestellt würde. Auf allen überlieferten Dokumenten folgt die kaiserliche Ehrung oder Selbstdarstellung vielmehr durchgängig dem, was unter seinen Vorgängern Augustus und Tiberius üblich geworden war.
    Naheliegender ist eine andere Erklärung. Dio berichtet im Anschluß an die Innovation des Vitellius folgendes: Der Kaiser habe bei späterer Gelegenheit zu Vitellius gesagt, er halte gerade Zwiesprache mit der Mondgöttin, und ihn gefragt, ob er denn nicht die Göttin in seiner Nähe sehen könne. Ähnliches passierte dem Sänger Apelles. Caligula fragte ihn, neben einer überlebensgroßen Iuppiterstatue stehend, wen Apelles denn für größer halte, ihn oder Iuppiter. Der Sinn des kaiserlichen Verhaltens läßt sich leicht erschließen, wenn man sich erinnert, wie er – schon bei den Eiden zu seiner Genesung im Jahre 37 und vor allem dann hinsichtlich der «Freundschaft» der Aristokratie seit dem Jahre 39 – mit Doppelbödigkeit und Schmeicheleien ihm gegenüber umgegangen war: Er entlarvte sie als Lüge, indem er sie ernst nahm, und er demütigte seine Kommunikationspartner, indem er zynisch ein der Schmeichelei entsprechendes reales Verhalten einforderte. So auch hier. Weder der in den antiken Quellen wegen seiner unterwürfigen Schmeichelei berühmt-berüchtigte Vitellius, noch Apelles hielten Caligula tatsächlich für einen Gott, und beide wußten, daß auch der Kaiser dies wußte. Der wiederum reagierte auf die Unterwerfungsgeste, die seine Anrede als Gott bedeutete, indem er sie zwang, sich so zu verhalten, als hielten sie ihn tatsächlich für einen Gott, das heißt so, als seien sie nicht bei klarem Verstande. Vitellius – und dies spricht dafür, daß er tatsächlich über besondere, in jenen Zeiten erforderliche kommunikative Fähigkeiten verfügte – zog sich geschickt aus der Affäre. Er senkte wie vor Ehrfurcht zitternd die Augen zu Boden und entgegnete mit leiser Stimme: «Euch Göttern allein, oh Herr, ist es gegeben, einander zu sehen.» (Cass. Dio 59, 27, 6) Apelles, der, nachdem er eine Zeitlang in hoher kaiserlicher Gunst gestanden hatte, aus unbekannten Gründen in Ungnade gefallen war, wußte dagegen nicht, was er antworten sollte. Caligula nutzte dies zu seiner Bestrafung, ließ ihn auspeitschen und bemerkte, daß seine Stimme selbst beim Schreien noch ihren süßen Klang bewahre.
    Ähnlich wie Vitellius und Apelles scheint es den Senatoren insgesamt ergangen zu sein. Caligula wies die Schmeichelei einer göttlichen Verehrung nicht zurück, sondern verlangte in zynischer Weise ein entsprechendes Realverhalten. Zufälligwissen wir aus der Vita des Claudius, daß die Mitgliedschaft im Priesterkollegium des «göttlichen Caligula» von diesem selbst als Mittel benutzt wurde, führende Senatoren zu ruinösen finanziellen Aufwendungen zu veranlassen. So wurde der Onkel des Kaisers gezwungen, «acht Millionen Sesterzen für seinen Eintritt in das neue Priesterkollegium zu bezahlen, worauf er in solche Geldnot geriet, daß er seinen gegenüber der Kasse des Gemeinwesens eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte und sein Vermögen gemäß dem Anschlag der Vorsteher der Kasse nach den geltenden Schuldbestimmungen bedingungslos zum Verkauf ausgeschrieben wurde.» (Suet.
Claud.
9, 2)
    Einige der antiken Quellen geben nun selbst eine ganz andere Deutung der Informationen, die sie berichten. Sie behaupten, der Kaiser habe den Verstand verloren, sich tatsächlich für einen Gott gehalten und deshalb eine entsprechende

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