Caligula - Eine Biographie
Recht befürchteten (und weil bei Caesar zu sehen war), daß mit steigenden Ehrungen seitens der Aristokratie ihre Akzeptanz in eben dieser Aristokratie sank. Denn schließlich wurde der Senat selbst in einigen Städten im Osten des Reiches als «heilige» oder «göttliche Versammlung» kultisch verehrt, und eine göttliche Verehrung der Kaiser mußte daher der «Göttlichkeit» der Mitglieder des Hohen Hauses deutlichen Abbruch tun – was einzelne von ihnen nicht daran hinderte, dies trotzdem zu fordern, wogegen die übrigen dann schlecht ihren Widerspruch einlegen konnten.
Die Frage war nun, wie Caligula auf die geschilderte göttliche Verehrung seiner Person reagierte. Klar war, daß er, anders als seine Vorgänger, auf eine Akzeptanz seitens der Aristokratie keine Rücksicht zu nehmen brauchte. Davon konnte ohnehin keine Rede mehr sein. Es herrschte offene Feindschaft. Klar warauch, daß dieses Unterwerfungsangebot Teil der doppelbödigen Kommunikation war, die die Senatoren aus Angst und Mangel an Alternativen weiterhin ihm gegenüber betrieben und die nichts mit tatsächlicher Anerkennung seiner Stellung als Kaiser zu tun hatte. Schließlich ist klar, daß auch Caligula dies alles bewußt war: Er selbst hatte ja anderthalb Jahre zuvor, nach der Verschwörung der Konsulare, in seiner Senatsrede die Fassade niedergerissen und das Kommunikationsverhalten ihm gegenüber als das offengelegt, was es war – als unterwürfige und verlogene Schmeichelei. Wie also reagierte er auf die «göttliche» Verehrung seitens der «göttlichen Versammlung»?
Caligula
ließ
sich als erster Kaiser von der Aristokratie in Rom göttlich verehren. Sueton berichtet über den Tempel, der «für sein göttliches Wesen»
(numen)
eingerichtet wurde. Dort «stand ein naturgetreues goldenes Abbild von ihm, und es wurde täglich mit der Kleidung angetan, die er gerade trug… Opfertiere waren Flamingos, Pfauen, Auerhähne, afrikanische und andere Perlhühner sowie Fasane, die täglich, nach Arten geordnet, geschlachtet werden sollten.» (Suet.
Cal.
22, 3) Aber nicht nur sein goldenes Standbild ließ Caligula von den Senatoren anbeten; er selbst ließ sich von ihnen als Gott anbeten. Er «erweiterte einen Teil des Palastes bis zum Forum hin, wandelte den Castor-und-Pollux-Tempel in eine Vorhalle um und ließ sich häufig, zwischen dem göttlichen Brüderpaar stehend, von den Besuchenden anbeten. Und einige begrüßten ihn als ‹Iuppiter von Latium›.» (Suet.
Cal.
22, 2) Die Begrifflichkeit Suetons zeigt, daß Caligula die übliche morgendliche Salutatio, bei der die Senatoren und andere den Kaiser in seinem Haus begrüßten, dazu nutzte, sich als Gott verehren zu lassen. Zudem wird berichtet, daß er nicht nur als Iuppiter, sondern außerdem auch in der Verkleidung unterschiedlichster weiterer – männlicher und weiblicher – antiker Götter auftrat: als Herakles, als einer der Dioskuren, als Dionysos, Hermes, Apollo und Ares, als Neptun, Merkur und Venus. Dabei erschien er mal glattrasiert, mal mit goldenem Bart, mal mit, mal ohne Perücke, je nachdem, um welchen Gott es sich handelte. Und die römischen Senatoren beteten ihn an. Was hatte das zu bedeuten? War
der Kaiser
nun verrückt geworden? Auch hier kann man – wie bei den Senatoren – mit einem klaren Nein antworten.
Der deutsche Forscher Hugo Willrich hat die These aufgestellt, daß Caligula mit der göttlichen Verehrung seiner Person das römische Kaisertum abschaffen und eine neue Form der Monarchie etablieren wollte, die dem Vorbild des hellenistischen Gottkönigtums folgte. Demnach hätte es sich um die Einführung eines neuen «Staatskultes» gehandelt, um einen – so Willrich – Akt der «Religionspolitik». Tatsächlich experimentierte Caligula seit seinem Lyonaufenthalt mit neuen Formen der Monarchie, die die paradoxe Bindung des Kaisers an die fortbestehende republikanische Rangordnung der Aristokratie beenden sollten, und er griff dabei – wie bei seinem Ritt über den Meerbusen bei Puteoli zu sehen war – auch auf Elemente des hellenistischen Königtums zurück, wobei besonders seine Identifikation mit Alexander dem Großen von Bedeutung war. Es gibt jedoch gewichtige Gründe, die gegen eine solche Deutung seiner göttlichen Verehrung sprechen.
Zum einen beschränkte er seine Auftritte als «Gott» auf bestimmte Anlässe. Dio schreibt im Zusammenhang mit der Kleidung des Kaisers, er habe die entsprechenden Kostüme nur getragen, «wenn er einen Gott
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