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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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Verehrung seiner Person durch die Aristokratie erzwungen. Auch moderne Biographen sind dieser Auffassung gefolgt, so daß die «Göttlichkeit» des Caligula entscheidend zu seinem Bild als wahnsinniger Kaiser beigetragen hat. Was ist davon zu halten?
    Zunächst ist aufschlußreich, daß die frühesten römischen Quellen, Seneca und der Ältere Plinius, mit keinem Wort erwähnen, daß sich der Kaiser in geistiger Umnachtung für einen Gott hielt, obwohl dies bestens zu ihrem Versuch gepaßt hätte, ihn mit allen Mitteln der Darstellungskunst als monströse Mißgeburt zu schildern. Der Grund liegt auf der Hand. Eine solche Behauptung dürfte für die Zeitgenossen wenig Plausibilität besessen haben. Einerseits waren sie ja selbst noch dabei gewesen, und man wird vermuten dürfen, daß sie möglichst wenig an ihre eigene unrühmliche Rolle bei der göttlichen Verehrung des Caligula erinnert werden wollten. Zum anderen setzten sich die Versuche, den Kaisern mit göttlichen Attributen zu schmeicheln, auch unter Caligulas Nachfolgern fort. Obwohl Claudius verbot, daß man vor ihm die Proskynese vollzog oder ihm opferte, tituliert ihn zum Beispiel der Autor Scribonius Largus in seiner Schrift dreimal als «unsern Gott Kaiser»
(Deus noster Caesar).
Unter Nero wurde nach der Pisonischen Verschwörung des Jahres 65 im Senat – vom oben genannten Verräter der dritten Verschwörung – der Antraggestellt, dem (lebenden) Kaiser einen Tempel zu weihen, um ihn dort kultisch zu verehren.
    Schließlich zeigen gerade Seneca und Plinius, daß auch sie selbst der Servilität gegenüber den Kaisern keineswegs abgeneigt waren. Seneca, der kurz nach dem Tode Caligulas im Jahre 41 vom neuen Kaiser Claudius wegen einer Ehebruchsaffäre mit Livilla, der Schwester Caligulas, verbannt worden war, schreibt in seiner dem kaiserlichen Freigelassenen Polybius gewidmeten Schrift (entstanden etwa in dieser Zeit), die «göttliche Hand» des Claudius habe ihn vor dem Tod gerettet. Plinius lobt im Vorwort seiner
Naturgeschichte
(beendet im Jahre 77) in höchsten Tönen Titus, den Sohn Vespasians, und berichtet, daß man sich jenem Kaiser beim Morgenempfang nur «in religiöser Andacht» nähere, ja er vergleicht sein Werk, das er dem Prinzen widmet, mit Opfern, die man Göttern darbringt. Die römischen Aristokraten der Jahrzehnte nach Caligulas Tod waren also selbst noch viel zu sehr im Kontext inflationärer Schmeichelei gegenüber den Kaisern befangen, als daß sie die göttliche Verehrung des Caligula für ein Zeichen von Wahnsinn – auf welcher Seite auch immer: des Geehrten oder der Ehrenden – hätten halten oder darstellen können. Wie aber entstand die Behauptung, Caligula habe selbst an seine Göttlichkeit geglaubt?
    Die beiden anderen frühen, dem jüdischen Kulturkreis zugehörigen Autoren Philo und Iosephus sind die ersten, die entsprechendes berichten. Beide beschäftigten sich mit Caligula aufgrund einer für das jüdische Volk dramatischen Entwicklung im letzten Jahr seiner Herrschaft. Der Kaiser hatte den Befehl erteilt, den Tempel von Jerusalem dem Herrscherkult zu widmen und dort eine überlebensgroße Statue von ihm selbst aufstellen zu lassen. Es handelte sich um das Zusammentreffen zweier diametral verschiedener Religionsauffassungen. Für die Juden hätte es die Entweihung ihres höchsten Heiligtums, das schlimmste vorstellbare Sakrileg bedeutet, und entsprechend gießt vor allem Philo seinen Haß über Caligula aus. Aus römischer Sicht dagegen ging es um eine vornehmlich politische Angelegenheit. Der provinziale Kaiserkult war eine Demonstration politischer Loyalität gegenüber Rom seitens der lokalen Oberschichten der Städte des Reiches, die man als solche gern annahm und honorierte.
    Trotz aller Parteilichkeit zeigen die Schilderungen der beiden Autoren, daß auch in diesem Falle die göttliche Verehrung Caligulas nicht von oben, von ihm selbst, sondern von unten initiiert worden war. In Alexandria war es im Jahre 38 zu schlimmen Pogromen gegenüber dem jüdischen Teil der Bevölkerung gekommen, und die nichtjüdischen Alexandriner versuchten geschickt, sich der Unterstützung von oben zu versichern. Sie stellten in jüdischen Synagogen Kaiserbilder auf und machten sie so zu Stätten des Kaiserkultes. Der damalige Präfekt Avillius Flaccus war aufgrund seiner Verwicklungen in römische Angelegenheiten handlungsunfähig. Auch sein Nachfolger Vitrasius Pollio scheint keine Entscheidungen getroffen zu haben, so daß die

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