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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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bizarre Entwürdigung der Vornehmsten der römischen Gesellschaft schildert Dio anschaulich in einer Anekdote, ohne daß man den Eindruck hat, daß ihm noch klar ist, was dabei eigentlich vor sich ging: Als Caligula einmal in Iuppitergestalt auf einer Bühne auftrat, hätte ein einfacher Schuster aus Gallien, der im Publikum stand, darüber lachen müssen. Der Kaiser ließ ihn darauf zu sich rufen und fragte: «Als was komme ich dir denn vor?» Woraufhin der antwortete: «Als ein großer Schwätzer.» Der Ausspruch blieb für ihn folgenlos. Denn Caligula, so erklärt Dio, ertrug wohl die freimütigen Aussprüche einfacher Leute, nicht aber die der Männer, die eine bedeutende Stellung einnahmen. Erinnert man sich an die parallele Situation mit Vitellius, ergibt sich eine andere Deutung der Szene: Caligula war weit davon entfernt, sich für einen Gott zu halten oder einen offiziellen Kaiserkult in Rom einzuführen. Er nutzte vielmehr gelegentliche Inszenierungen seiner Göttlichkeit, um die angstvolle und zugleich heuchlerische Unterwürfigkeit der senatorischen Gesellschaft dem Kaiser gegenüber in aller Öffentlichkeit in ihrer Absurdität vorzuführen – vor einem Publikum von einfachen Leuten aus dem Volk, das sich das Lachen über die hohen Herrschaften nicht verbeißen konnte.
4. Die Stabilität der Herrschaft
    Die kaiserliche Gewalt war unangefochten. Die Soldaten der Prätorianergarde, die für Verhaftungen, Folterungen und Hinrichtungen in Rom zuständig waren, profitierten von den herrschenden Zuständen und waren dem Kaiser ergeben. Daneben und in Konkurrenz zu ihnen spielte die germanische Leibgarde eine wichtige Rolle. Als Ausländer, die der lateinischen Sprache nicht mächtig waren und daher kaum Kontakte zu anderen römischen Personengruppen hatten, waren sie völlig auf denKaiser fixiert. Sie sorgten durch ständige Anwesenheit für seine Sicherheit, er großzügig für ihren Unterhalt. In den Legionen an den Grenzen des Reiches, die von den innerrömischen Verhältnissen nicht allzuviel mitbekamen, war die Beliebtheit des jungen Kaisers, des Germanicussohnes, der unter ihnen im Lager aufgewachsen war und zu Regierungsbeginn ihnen gegenüber so große Freigebigkeit gezeigt hatte, ungebrochen.
    Auch das Volk von Rom stand nach wie vor hinter dem Kaiser, der großzügig für Brot und Spiele sorgte. Es hatte zwar zwischenzeitlich Verstimmungen gegeben: Caligula ließ bei Protesten gegen Steuererhöhungen die Prätorianergarde einschreiten und persiflierte die traditionellen Austauschbeziehungen zwischen Aristokratie und Volk, indem er alte Gladiatoren und behinderte Familienväter als Kämpfer sowie ermattete Tiere in die Arena schickte. Aber dies tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch, zumal er anschließend wieder «ernsthafte» Spiele veranstaltete und regelmäßig größere Mengen Geld unters Volk warf. Bei Iosephus wird berichtet, die einfachen Bewohner Roms hätten Mißgunst gegenüber dem Senat gehegt und im Kaiser einen Schutz gegen die Habgier der Aristokratie gesehen.
    Der Rückhalt des Kaisers bei den Soldaten begrenzte auch die Gefahren, die von senatorischen Statthaltern im Reich ausgehen konnten. Zudem hatten hier schon die Vorgänger Caligulas eine neue Technik des Umgangs mit dem Grundproblem aristokratischer Rivalität entwickelt. Für Posten mit großer militärischer Macht zog man zunehmend «neue Männer» heran, Personen, die aus dem Ritterstand kamen. Sie zeichneten sich meist durch militärische und bürokratische Fähigkeiten aus, verdankten ihren Aufstieg in den höchsten Stand dem Kaiser, und es mangelte ihnen an gesellschaftlichem Ansehen innerhalb der Aristokratie, im Volk und bei den Soldaten. All dies limitierte die Gefahr der Usurpation, die von ihnen ausgehen konnte. Der kürzliche Mißerfolg des Lentulus Gaetulicus dürfte die Hemmschwelle für entsprechende Vorhaben weiter erhöht haben, und die Abberufung des Lucius Vitellius aus Syrien zeigte, daß der Kaiser hier alles im Blick hatte.
    Auch in Rom gab es Senatoren, die mit dem Kaiser kooperierten und von ihm profitierten. Verschiedene Quellenberichte bezeugen, daß einige besondere «Freundschaft» mit Caligulapflegten, bei seinen Gastmählern anwesend waren, ihn ihrerseits zum Gastmahl luden oder in der städtischen Öffentlichkeit, zum Beispiel im Theater, seine unmittelbare Umgebung bildeten. Verschiedene von ihnen wurden bereits erwähnt: Lucius Vitellius, der nach seiner Rückkehr Caligulas Umgang mit der

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