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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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Mondgöttin, wenn sie in vollem Licht erstrahlte, ständig in seine Umarmung und auf sein Lager ein, am Tage aber redete er insgeheim mit dem Kapitolinischen Iuppiter, indem er ihm abwechselnd bald etwas zuflüsterte und dann wieder das Ohr hinhielt, bald wieder laut mit ihm sprach, nicht ohne dabei zu schimpfen. Denn einmal ließ sich drohend seine Stimme vernehmen: ‹Beseitige mich oder ich will’s mit dir tun!›» (Suet.
Cal.
22, 4)
    Der Leser wird nicht mehr überrascht sein, daß die Darstellung Suetons auch diesmal von denunziatorischen Absichten geprägt ist. Zum einen liefert der Biograph selbst wiederum außerhalb der Caligula-Vita Informationen, die seine dortigen Ausführungen in anderem Licht erscheinen lassen: In der zitierten Stelle der Lebensbeschreibung des Kaisers Vitellius heißt es ausdrücklich, dessen Vater Lucius, also nicht Caligula selbst, sei es gewesen, der mit der göttlichen Verehrung den Anfang machte. Durch eine zufällige Parallelstelle kann man sodann zeigen, wie Sueton seine Informationen aufbereitet. Seneca berichtet in seiner Schrift
Über den Zorn
von einem Pantomimenspiel, an dem Caligula teilnahm, und von einem anschließenden Gelage unter freiem Himmel, das er veranstaltete. Als Donner und Blitze das Fest störten und die Teilnehmer in Schrecken versetzten, habe der Kaiser «aus Zorn über den Himmel» den Homervers ausgerufen «Beseitige mich oder ich will’s mit dir tun!» (Homer
Ilias
23, 724) und somit Iuppiter zum Zweikampf gefordert. Seneca hält ein solches Verhalten für Gotteslästerung und wirft Caligula deshalb
dementia
(Wahnsinn) vor. Die ganze Episode stellt den Kaiser also als aufbrausend und überheblich dar, sie zeigt jedoch keine Spur davon, daß Caligula in geistiger Umnachtung mit Iuppiterkommuniziert hätte. Genau so wird sie dann aber, aus dem Zusammenhang gerissen, von Sueton berichtet.
    Ähnlich klärt sich die Geschichte mit der Mondgöttin. Wie oben gezeigt, handelte es sich um einen zynischen Witz, mit dem Caligula den Schmeichler Vitellius demütigte. Bei Sueton erscheint der Kaiser dagegen als in der Wahnvorstellung befangen, tatsächlich mit der Mondgöttin in Kontakt zu stehen. Sueton zahlt es also gewissermaßen dem Caligula mit gleichen Mitteln heim: So wie dieser die Schmeichelei der Aristokratie ernst nahm, um damit die Verrücktheit der Schmeichler bloßzustellen, nimmt jener die Witze des Kaisers ernst und stellt ihn dadurch als verrückt dar. Der Unterschied ist allerdings: Der Sinn von Caligulas Witz war für die Beteiligten durchschaubar, darauf beruhte ja gerade seine Wirkung. Suetons Technik dagegen ist gar nicht witzig. Sie entreißt die Aussagen des Kaisers ihrem ursprünglichen Kontext, so daß ihr Sinn nicht mehr deutlich wird. Es handelt sich um Verfälschungen dessen, was tatsächlich passiert ist, die ein Leser auf Anhieb als solche nicht erkennen kann.
    Dies zeigt sich, wiederum hundert Jahre später, bei Cassius Dio. Einerseits folgt er Suetons Urteil und nimmt die göttliche Verehrung Caligulas als Zeugnis für dessen Wahnsinn. Andererseits berichtet er – aus anderen Quellen, die ihm, ähnlich wie Sueton, vorlagen – eine Reihe von Begebenheiten, die den ursprünglichen Zusammenhang der Vergöttlichung des Kaisers noch erkennen lassen, und trägt auch solche Informationen zusammen, die der Deutung, die er von Sueton übernimmt, widersprechen. So schildert er etwa – mit deutlicher Verwunderung – die Ernsthaftigkeit, mit der auch die Vornehmsten den Kaiser als Gott verehrten. Dies geht auf Kosten der Konsistenz seiner Darstellung, macht sie aber als Quelle um so wertvoller.
    Kommen wir zurück zur Situation in Rom im Herbst des Jahres 40. So hatten sich die Senatoren die Antwort Caligulas auf ihre Verschwörungen nicht vorgestellt. Sie erlitten eine Demütigung, die ihre Vorstellungskraft übertroffen haben dürfte. Dieser junge Mann, der ihr Kaiser war, versetzte sie nicht nur in Angst und Schrecken und entehrte sie mit gezielten Aktionen. Er ging nicht nur auf die Schmeicheleien einzelner aus ihrem Kreise ein und ließ sich von ihnen insgesamt als Gottkultisch verehren, was als solches schon eine extreme Erniedrigung für die hohen Herren bedeutet hätte. Nein, er nutzte ihre Unterwürfigkeit zur Inszenierung karnevalesker Aufführungen, bei denen sie sich öffentlich – vor Publikum – der Lächerlichkeit preisgeben und so tun mußten, als hielten sie den kostümierten Kaiser tatsächlich für einen Gott. Die

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