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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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billiger. Kleidung von wirklich guter Qualität konnte man sich für einen Bruchteil dessen anfertigen lassen, was sie in den besten Läden kostete. Auf Straßenmärkten fand man wunderbare Stoffe zu Spottpreisen. Zumeist entwarf ich meine Sachen selbst oder übernahm einen bestimmten Stil. Als ich in Paris lebte, ging ich immer zu den Modenschauen der großen französischen Designer – Dior, Chanel oder Schiaparelli. Die ersten Schauen der Saison waren natürlich für die Presse und die Reichen reserviert, aber nach zwei, drei Wochen, wenn sich die ganze Aufregung gelegt hatte, gab es, vielleicht zweimal wöchentlich, weitere Modenschauen, zu denen jeder gehen konnte. Ich liebte die Atmosphäre und machte mir sorgfältig Notizen und Skizzen von den Stücken, die mir mit Sicherheit standen, sodass ich sie mir später nähen lassen konnte.
    Das einzige Problem war, eine Schneiderin zu finden, die erfahren genug war, ihre eigenen Schnittmuster anzufertigen. Liz war die Perfektion in Person. Sie dachte sich nicht nur eigene Schnitte aus, sondern hatte auch einen wirklich modernen Stil und schlug häufig Änderungen vor, die dem Stoff oder dem Schnitt zugutekamen. Wir waren etwa im gleichen Alter und ergänzten uns gut.
    Bei einem meiner Besuche erzählte mir Liz mit einem schiefen Lächeln, dass ihre Mutter wieder ein Kind erwartete. Gemeinsam spekulierten wir, wie viele Conchita noch bekommen sollte. Ihr genaues Alter kannte niemand, aber sie war wohl um die zweiundvierzig und konnte also noch sechs bis acht Kinder bekommen. Angesichts ihrer bisherigen Form tippten wir auf insgesamt dreißig Babys.
    Conchita meldete sich wieder bei den Schwestern zur Hausgeburt an und bat um Hausbesuche zur Vorsorge. Aus Gründen der Kontinuität sollte ich den Fall übernehmen. Wieder konnte ihr Zustand gar nicht besser sein. Sie sah wunderschön aus und ihre Schwangerschaft zeigte sich erst etwa um die vierundzwanzigste Woche herum, wenngleich der Geburtstermin auch dieses Mal wieder nicht genau bestimmbar war. Ihr jüngstes Mädchen war ein Jahr alt. Len war vor Vorfreude ganz aufgeregt, als ginge es erst um sein zweites oder drittes Kind.
    Es war Winter und eisig kalt. Schwere Schneewolken hingen über der Stadt und hielten den Qualm und Rauch der Kohleöfen, Dampfloks und Dampfmaschinen, der Hochseedampfer und allen voran der mit Kohle betriebenen Fabriken unter sich gefangen. Ein dichter Smog entwickelte sich, wie er für London typisch war. Man kann sich so etwas heute nicht mehr vorstellen. Die Luft war schwer. Sie stank und hatte eine gelblich graue Farbe. Selbst mitten am Tag sah man nicht mehr als einen Meter weit. Der Verkehr ruhte nahezu komplett. Ein Fahrzeug konnte sich nur von der Stelle bewegen, wenn jemand mit zwei hellen Lampen vor ihm herging – eine, um vorauszuleuchten, damit es seinen Weg fand, und eine, die nach hinten strahlte, damit es ihm folgen konnte. Smog wie an diesem Tag war damals im Winter nichts Ungewöhnliches und dauerte an, bis sich die Wetterlage änderte und geringerer Luftdruck die gefangenen Dünste entweichen ließ.
    Conchita war wahrscheinlich in den Hinterhof gegangen, um etwas zu holen. Entweder war sie auf dem Eis ausgerutscht oder über etwas gestolpert, das sie nicht gesehen hatte. Sie musste schwer gestürzt sein und lag einige Zeit mit einer leichten Gehirnerschütterung auf dem eiskalten Beton. Zu dieser Zeit waren nur die kleinsten Kinder unter fünf Jahren im Haus. Als die älteren Kinder aus der Schule kamen, fanden sie sie. Sie war so weit bei Bewusstsein, dass sie kriechen konnte, und mit der Hilfe ihrer Kinder, keines älter als zehn, schaffte sie es bis zurück ins Haus. Offenbar hatte sie bereits versucht, sich hineinzuschleppen, aber da sie wegen des Smogs nichts hatte sehen können, war sie sogar vom Haus weggekrochen. Es ist ein Wunder, dass sie nicht an Unterkühlung starb. Es ging ihr sehr schlecht. Eines der kleinen Kinder holte eine Nachbarin, die sie in Decken hüllte und ihr heißen Brandy mit Wasser gab. Einige der älteren Kinder kamen nach vier Uhr heim und erfuhren vom Unfall ihrer Mutter. Len und seine älteren Söhne kehrten als Letzte zurück, denn sie hatten auf einer Baustelle in Knightsbridge gearbeitet und zweieinhalb Stunden Rückweg hinter sich.
    An diesem Abend setzten bei Conchita die Wehen ein.
    Das Telefon klingelte gegen halb zwölf. Ich wurde an den Apparat gerufen, weil sie meine Patientin war. Ich erschrak – zum einen wegen der vorzeitigen

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