Callgirl
Arrangement.
Im September begann ein neues Studienjahr an den zahlreichen Universitäten und Colleges von Boston – und in Peachs Laden tauchten neue Gesichter auf. In jenem Herbst fing Zoe neu in der Agentur an. Peach sprach oft von ihr: Die Kunden waren ausnahmslos begeistert, sie war unermüdlich, sie war glamourös, und sie brachte Peach eine Menge Geld ein.
Mit Zoes erstem Besuch bei Mario wurde schlagartig alles anders.
So viel auch darüber geredet wurde, so konnte sich doch keine von uns erklären, was zwischen den beiden lief. Jedenfalls hieß es für Mario auf einmal: Zoe und keine andere. Wäre sie abkömmlich und ihrerseits dazu bereit gewesen, hätte er sie jeden Abend bei sich gehabt. Mit anderen Mädchen traf er sich nur
noch, wenn Zoe nicht konnte. Es war nicht so, dass er die anderen überhaupt nicht mehr mochte – er hatte nur einfach entschieden, dass er am liebsten mit Zoe zusammen sein wollte.
Wir nahmen das natürlich nicht besonders gut auf. Mario als Stammkunden zu verlieren, bedeutete für uns, viel öfter und viel härter arbeiten zu müssen, und dazu noch für viel weniger Geld.
»Es ist ein Glücksspiel«, war alles, was Peach dazu beitrug. »Mal zieht man das große Los. Mal’ne Niete.«
Ich war richtig froh, als sie mir ein paar Wochen später mitteilte, dass Mario mich wieder bei sich in Weston haben wollte. Normalerweise standen die Mädchen Schlange für die Abende, an denen Zoe keine Zeit hatte, und als Mario mich das letzte Mal angefordert hatte, musste ich absagen, weil ich zu einer Feier an meiner Fakultät eingeladen war – eine dieser Veranstaltungen, bei denen du unbedingt dabei sein musst, wenn dir deine Karriere lieb ist. Nicht viele Leute schlugen Mario einen Wunsch ab.
Als ich eintraf, war Zoe bereits dort. Wie sich herausstellte, hatte Mario einen Freund zu Besuch, und ich war als Unterhaltung für diesen Freund gedacht. Aus Marios Sicht war das ein Kompliment. Ich versuchte, die Sache gelassen zu sehen: Na ja, wenn es ein Freund von Mario ist …
Der Freund und ich gingen dann in ein anderes Schlafzimmer. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, jedenfalls hatte er nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit Mario. In den folgenden zwei Stunden musste ich wirklich Schwerstarbeit leisten. Der Typ hatte bereits vor meiner Ankunft reichlich Kokain geschnupft und danach noch einiges mehr, wollte aber absolut nicht einsehen, dass dies irgendwelche Auswirkungen auf seine sexuelle Leistungsfähigkeit haben könnte. »Streng dich gefälligst mehr an«, forderte er mich immer wieder auf, weshalb meine Hände zwei geschlagene Stunden lang (von wenigen kurzen Pausen für einen Schluck Champagner abgesehen) alles in ihrer Macht Stehende (Liegende) versuchten, um ihn von den Toten zu erwecken.
Wenigstens konnte ich ihn überreden, auch ein paar andere Zärtlichkeiten zu akzeptieren (»Das entspannt dich, du wirst schon sehen«), und es gelang mir sogar, eine zehnminütige Rückenmassage einzuschieben, mit etwas Öl, das ich im Badezimmer gefunden hatte; doch gleich danach bestand er darauf, dass ich fortfahren solle, seinem schlaffen Pimmel Leben einzuhauchen. Es half nicht gerade, dass er – während ich mir wirklich die größte Mühe gab, irgendeine Reaktion hervorzurufen – bloß dasaß und sich eine Nase nach der anderen genehmigte.
Am Ende der verabredeten Zeit verlangte er, ich solle noch länger bleiben, und behauptete, er sei kurz davor, eine volle Erektion zu bekommen. Ich sagte, das ginge nicht. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem weitere fünf Minuten Stimulation wirklich keinerlei Unterschied mehr machen. Ich glaube, was ihn am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass er ein Callgirl gehabt hatte und trotzdem keinen Sex.
Schließlich flüchtete ich mich unter die Dusche, nachdem ich ihm noch einmal versichert hatte, dass ich früh zu Bett gehen müsse und meinen Besuch keinesfalls um weitere zwei Stunden verlängern könne. Ich huschte leise an Marios geschlossener Schlafzimmertür vorbei und dachte mit halb wehmütigen, halb eifersüchtigen Empfindungen daran, was dort vorgegangen war, während ich mich keuchend und schwitzend und letztlich ergebnislos abgerackert hatte.
Ich ging nicht wieder hin. Das musste ich mir nun wirklich nicht antun, wenn ich eigene Stammkunden hatte. Bei dieser Art Arbeit brauchte ich keine geschlossene Tür, die mich an die ganzen Vergünstigungen erinnerte, die ich verloren hatte – aber auch an meine echte Zuneigung
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