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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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ungesprächige Männer waren nun wirklich nichts Neues für mich. Daher machte ich mir weiter keine Gedanken und brach auf, um den Kunden zu besuchen.
    Das Arrangement war allerdings nicht wie sonst. Auf seinen Wunsch hin rief ich ihn vom Handy aus an, statt gleich an der Tür zu läuten. Ich war davon ausgegangen, dass seine Klingel kaputt war. Doch das war sie keineswegs. An der Haustür erwartete mich ein sehr dünner, sehr junger Mann, der nur im Flüsterton sprach und von mir verlangte, nicht zu reden, bis wir oben angelangt waren.
    »Oben« war, wie sich herausstellte, schlicht und einfach sein
Schlafzimmer, ein nichts sagender Raum mit minimaler Ausstattung, der einzig von einer matten Glühbirne hoch unter der Decke erleuchtet war. Wir setzten uns auf sein schmales Bett, und ich sprach sofort das Geschäftliche an. »Am besten erledigen wir das gleich zu Anfang. Wir kennen dich ja noch nicht, und deshalb möchte Peach, dass du mir als Erstes das Geld gibst.«
    Er zog eine Brieftasche aus seiner Gesäßtasche, öffnete sie aber nicht. »Okay. Es waren 160, nicht?«
    Bei mir leuchteten die Alarmlampen auf. »Nein, es sind 200.«
    »Oh, aber die Dame, mit der ich am Telefon sprach, hat 160 gesagt.« Dame? Wie alt war dieser Typ eigentlich?
    »Also gut«, sagte ich. »Dann rufen wir am besten gleich bei ihr an, sie wird das schon klären.«
    Er öffnete die Brieftasche, nahm aber immer noch kein Geld heraus. »Nein, okay, ich zahle 200. Ich wollte nur sichergehen – dass ich auch etwas für mein Geld bekomme. Wir haben doch gleich Sex, oder?«
    Mir gefror das Blut in den Adern. Das war eine häufig wiederholte Passage aus dem Evangelium nach Peach: Die Bullen wollten uns angeblich die explizite Aussage entlocken, dass wir uns für Liebesdienste bezahlen ließen, dass wir Sex gegen Geld tauschten. »Oder Waffen gegen Geiseln«, hatte ich immer gewitzelt. Aber jetzt fand ich es nicht mehr so lustig. Peach hatte gesagt, man könne uns erst festnehmen, wenn wir den Sachverhalt beim Namen nannten. »Wir können alles machen, was dir gefällt«, antwortete ich langsam und überlegte, was ich machen sollte. »Aber wir sollten erst das Geschäftliche hinter uns bringen. Danach rufe ich Peach an und sage ihr, dass ich heil angekommen bin, und dann unterhalten wir uns über alles Weitere.«
    Er sah mich nicht an, sondern betrachtete stirnrunzelnd den Fußboden. »Ich will nur sichergehen, dass es dann auch wirklich passiert«, sagte er. »Nur eine Bestätigung, dass echter Sex dazugehört, bei dem Preis.«

    Ach du lieber Himmel. Musste das ausgerechnet mir passieren? Ich machte einen letzten Versuch. »Weißt du, ich mag nicht gern alles im Voraus planen. Warum machen wir es uns nicht gemütlich miteinander und sehen, was dann passiert?«
    Er fuhr mit dem Kopf hoch und starrte mich intensiv an. »Aber wir haben Sex, ja?«
    Ich stand auf und fragte, so ruhig ich konnte: »Verzeihung, Sir, sind Sie Polizeibeamter?«
    Es war hochdramatisch und unglaublich enttäuschend. »Nein«, sagte er und schüttelte verwirrt den Kopf. »Sie?«
    Ich hatte sein Verhalten völlig falsch interpretiert, was unter den gegebenen Umständen allerdings auch leicht passieren konnte, wie ich zu meiner Verteidigung anführen muss. Bei genauerem Hinsehen handelte es sich hier um einen extrem unbeholfenen jungen Mann mit beschränkten geistigen und sozialen Fähigkeiten. Und so händigte er mir nach diesem letzten verbalen Austausch wortlos das Geld aus, hörte schweigend zu, wie ich mich bei Peach meldete, und hatte dann Sex mit mir, ohne sein Schweigen noch ein einziges Mal zu brechen.
    Ja, ich hatte mich geirrt, aber es hätte auch sehr wohl stimmen können. Deshalb fiel mir ein Stein vom Herzen, als ich schon bald wieder gehen konnte.
    Falls ich jemals festgenommen worden wäre, hätte Peach mir aus der Patsche geholfen, die Kaution gestellt und überhaupt alles Nötige veranlasst. Aber schon der Gedanke war abwegig, weil Peach, wie gesagt, immer davon ausging, dass die Menschen sich so verhielten, wie sie es von ihnen erwartete.
    In diesem Fall war ich froh, dass ich es getan hatte.
    Am 1. Januar fasste ich gute Vorsätze fürs neue Jahr, wovon ich normalerweise nicht viel halte. Was dabei herauskommt, ist eine ziemlich gezwungene kleine Liste, die unweigerlich dieselben Punkte umfasst wie im vergangenen Jahr, was an sich schon ziemlich deprimierend ist. Fünf Pfund abnehmen, mehr anspruchsvolle
Literatur lesen, mehr Sport treiben, eine neue

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