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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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kommen sehen. »Beziehungen können nur auf zwei Weisen enden«, hatte er einmal gesagt. »Entweder man heiratet oder man trennt sich.« Nach ein paar Monaten des Zusammenseins war es ziemlich klar, dass unser Weg nicht aufs Heiraten hinauslief.
    Die Trennung von Luis ging mir mehr unter die Haut, als ich mir eingestehen mochte. Aber ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich war wütend auf ihn und auf mich selbst – ich glaube, eine ganze Zeit lang war ich ganz generell einfach wütend.
    Anfang Februar fingen die Kurse an. Meine Kunden hatte ich zum größten Teil aufs Wochenende geschoben, zwei auf Samstagabend und einen auf Sonntag, so dass die Werktage weitgehend frei blieben für die Unterrichtsvorbereitung. Peach verstand jedoch nicht, was das sollte, außerdem war sie, glaube ich, gekränkt, als sie mich ein oder zwei Mal zu Scrabble und Drinks nach der Arbeit einlud, und ich mit der knappen Begründung, es sei mir unangenehm, Luis dort zu treffen, absagte.
    Trotzdem war es fast nicht zu vermeiden, wieder in diese ganze glitzernde Szene einzutauchen. Ich denke, Peach versuchte, mich absichtlich wieder dort hineinzuziehen, auch gegen meinen erklärten Willen, und zwar nicht wegen irgendwelcher ruchlosen Absichten ihrerseits, sondern einfach, weil sie mich gern hatte und mich vermisste, wenn ich nicht da war. Sie rief mich an, um mich zum Abendessen einzuladen, und sagte, dass sie gleich anschließend ein Treffen mit einem Kunden für mich arrangieren würde.
Ich wollte Peach keinesfalls erzürnen und damit das Risiko eines Einkommensverlusts heraufbeschwören, also ging ich hin.
    Zu jener Zeit hatten wir unter unseren Stammkunden sehr viele Köche und Gastronomen. Wenn Peach in jenem Winter den Vorschlag machte auszugehen, landeten wir fast immer in ihrem damaligen Stammlokal. Es war ein Restaurant mit asiatischer Küche in einem der großen Hotels in der Innenstadt, sehr hochgestochen und schick, und Peach hatte sich irgendwie mit dem Besitzer angefreundet. Er machte laufend Gebrauch von ihrer Agentur – in eigener Person, für seine Freunde, für durchreisende Geschäftsleute. Er hatte wohl ein Arrangement mit dem Hotel getroffen, jedenfalls tauchten auf wundersame Weise ständig Zimmerschlüssel in unseren Händen auf.
    Ich traf mich in diesem Hotel mit Kunden, mit Kellnern aus dem Restaurant, manchmal auch mit japanischen Geschäftsfreunden oder Familienangehörigen, die auf Besuch kamen. Es war üblich, dass sie Drinks, Häppchen und Vorspeisen aus dem Restaurant mit nach oben brachten. Das Essen dort war wirklich hervorragend. Eines Tages nahm mich der Besitzer beiseite und sagte, wenn ich Lust hätte, könne ich jederzeit abends auf einen Drink vorbeikommen – es würde dann auch so gut wie sicher ein Kunde da sein, sofern ich das wollte. Das war ein gut gemeintes Angebot, aber ich machte nie Gebrauch davon.
    Einer der Männer, die ich dort traf, genau genommen einer der Köche, überreichte mir eines Abends feierlich eine Visitenkarte: »Das ist mein neues Restaurant.« Er hatte sich in einem Vorort mit einem Sushi-Restaurant selbstständig gemacht. Ich wünschte ihm alles Gute, versprach, mal hereinzuschauen, und hatte das Ganze im nächsten Augenblick vergessen. Wie sich herausstellte, hat dieser Mann offenbar das richtige Gespür für kommende Entwicklungen gehabt, denn einige Monate später schloss das Restaurant in dem Hotel seine Pforten. Ich glaube, heute ist dort ein Steakhaus.

    Manchmal werde ich von meiner Vergangenheit nicht gerade heimgesucht, das ist nicht das richtige Wort, aber sie kommt einfach zurück, um mich an ihre Existenz zu erinnern. Im letzten Sommer besuchte ich eine Tagung am Wellesley College, und in einem Gespräch mit einer Kollegin kamen wir auf das Thema Essen. »Oh«, sagte sie, »Sie essen gern Sushi? Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: probieren Sie’s nicht in der Innenstadt. So unwahrscheinlich es klingt, das beste Sushi-Restaurant von New England ist hier ganz in der Nähe!« Und sie nannte den einprägsamen Namen, den ich von der neuen Geschäftskarte kannte, die der Koch mir damals überreicht hatte. Es ist schön, wenn man hört, dass auch andere den Absprung geschafft haben und erfolgreich sind.
    Eigenartige kleine Sachen wie diese kommen von Zeit zu Zeit unverhofft an die Oberfläche und erinnern heute an ein früheres Leben. Eigentlich ist es nicht schlecht, gelegentlich darauf gestoßen zu werden, wo wir einmal waren und woher wir kommen. Mich brachte

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