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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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einmal unter den Menschen verbreitet ist, können wir davon ausgehen, dass sich sicher der eine oder andere Stammkunde in der johlenden Menge befand.«
    Ich wartete einen Moment, dann bezog ich meine jungen Hörer mit ein. »Können Sie sich vorstellen, warum die männlichhomosexuelle Prostitution zur Zeit von Theodosius ein solches Problem darstellte, wo doch bis dahin sowohl hetero- wie homosexuelle
Prostitution recht offen im römischen Reich praktiziert worden war?«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen, sei es, um sich von dem von mir beschworenen Horrorbild zu erholen, sei es um nachzudenken. Dann ging eine Hand hoch. »Weil das Christentum es für eine Sünde hielt und der Kaiser ein Christ war?«
    Ich nickte zustimmend. »Und was war hier das Problem – die Homosexualität oder der Umstand, dass sie von Prostituierten praktiziert wurde?«
    Die nächste Meldung. »Beides. Die Kirche sagte doch, dass Sex der Fortpflanzung dienen soll. Aber weder Homosexuelle noch Prostituierte haben die Absicht, Kinder in die Welt zu setzen.«
    Ein Kichern lief durch die Klasse, ein Ausdruck nervöser Spannung. »Richtig. Gut, ich sehe, Sie haben Ihre Texte gelesen.« Ich stellte mich vor das Pult und lehnte mich dagegen. »Es gibt noch einen weiteren Grund. Nach Auffassung der Obrigkeit bedeutete Homosexualität, dass der männliche Körper beim Geschlechtsverkehr wie der einer Frau benutzt wird. Und für wen stellte das ein Problem dar?«
    Diesmal meldete sich niemand. Okay, sie hatten also nur einen Teil der aufgegebenen Lektüre gelesen, immerhin besser als gar nichts. »Erinnern Sie sich noch an Augustinus, dieses Muster an Frauenfeindlichkeit? Er sagte – ich zitiere«, und ich zog den Text von dem Stapel hinter mir und las vor: »Der Leib des Mannes ist dem des Weibes überlegen, so wie die Seele dem Leib.«
    Jetzt funkelte es in den Augen. Ich hatte sie gepackt und dazu gebracht, zuzuhören und nachzudenken.
    Es hob zwar niemand die Hand, doch das hinderte ja nicht am Sprechen. »Sie meinen also«, sagte ein sehr junger Mann in der ersten Reihe, »dass Homosexualität als Sünde galt, weil Männer dadurch wie Frauen wirkten? Dass es also in Wirklichkeit vor allem gegen die Frauen ging?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Was meinen Sie?«

    Es war nicht meine Absicht, irgendjemanden zu meinen Ansichten zu bekehren. Ich wollte nur, dass sie sich mit den Tatsachen beschäftigten und in die Lage versetzt wurden, ihre eigenen Schlüsse auf durchdachte, sachlich begründete Weise zu ziehen. Mein Beitrag für die nächste Generation sollte sein, dass sie nicht wie Schafe in einer Herde blind irgendwelche Informationshäppchen schluckten, die gerade von Nachrichtenkommentatoren im Fernsehen oder irgendwelchen Politexperten verbreitet wurden. Sie sollten sich Wissen aneignen, das Gelernte einschätzen und, auf mehr als nur Bauchgefühl oder bloßes Hörensagen gestützt, Stellung dazu beziehen können.
    Okay, okay, im Grunde meines Herzens bin ich eine Idealistin; an jenem Wintermorgen, in jenem Seminarraum, hatte ich jedenfalls das Gefühl, alles sei möglich.

Kapitel 17
    Meine Beschäftigung mit den Bordellen des Römischen Reichs brachte mich zum Nachdenken über die Frage, wie die Prostitution als Dienstleistung organisiert ist und wer davon profitiert. Wer bestimmt, wie ein Bordell, ein Callgirl-Ring oder ein Begleitservice geführt wird? Wie wirkt sich das auf das Wohlergehen der Angestellten aus?
    Falls ich je daran gezweifelt hatte, dass es ein Glück für mich war, gleich am Anfang meiner Jobsuche auf Peach und ihre Agentur zu stoßen, so habe ich schon nach kürzester Zeit wieder damit aufgehört. Genau genommen, sobald ich ein paar der anderen Frauen bei Peach näher kennen gelernt hatte.
    Manche der jüngeren interessierten sich generell eher für Fragen der Quantität als der Qualität. Manche lebten auf ziemlich großem Fuß – wenn man ganz plötzlich sehr viel Geld verdient, kann das Urteilsvermögen erheblich beeinträchtigt werden, besonders, wenn du dich jung und unbesiegbar fühlst, viele unerfüllte Wünsche hast und glaubst, dass es immer so weitergehen wird. Das hieß aber auch, dass sie mehr Geld brauchten als Leute wie ich. Daher arbeiteten sie außer für Peach zusätzlich noch für andere Agenturen, die ein höheres Auftragsvolumen, einen höheren Umsatz hatten. Allerdings auch mit höheren Risiken verbunden waren, obwohl den Frauen das vielleicht nicht gleich bewusst war. Peach konnte keine vier

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