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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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vorlegen zu müssen, die alle anderen Stämme dafür vorlegen mussten.« Irene zuckte die Schultern. »Die Idee selbst finde ich im Prinzip auch gut«, erklärte sie. »Natürlich sollte man ihnen irgendeine Entschädigung geben. Nur dass die richtigen Leute davon profitieren müssen und nicht irgendein Mistkerl, der sich schnell eine goldene Nase verdienen will.«
    Darüber dachte ich nach, während ich herumwanderte. Ich sah viele Pseudo-Indianer, so viel war sicher: Die Kellnerinnen trugen alle farbenprächtige, mit Fransen besetzte Wildlederkleider und Stirnbänder mit einer einzelnen Feder am Hinterkopf. Was die Authentizität der Feder angeht, bin ich mir nicht sicher, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die amerikanischen Ureinwohner weder die Länge dieser Kleider (knapp überm Po) noch die dazugehörigen Netzstrümpfe und hochhackigen Schuhe wieder erkannt hätten.
    Hiawatha trifft Moulin Rouge.
    Ich spazierte durch mehrere Säle voller Menschen, die alle wie gebannt auf Karten oder Würfel starrten und ging schließlich zurück zu Jerry, wobei ich mich zu meiner eigenen Überraschung nur ein einziges Mal verlief. Jerry hatte sich nicht von der Stelle gerührt, obwohl ich mehrere neue Gesichter im Halbkreis der Spieler sah.
    »Ach, da bist du ja«, bemerkte er beiläufig. »Besorg mir doch noch einen Drink, ja, Mäuschen?«, bat er. »Und«, fiel ihm im Nachhinein ein, »wie ist es dir ergangen?«

    Ich machte ein zerknirschtes Gesicht. »Ich hab’s verloren, Schatz. Ich hab auf meinen Geburtstag gesetzt und verloren.«
    Hätte ich bestimmt, wenn ich so töricht gewesen wäre und gespielt hätte.
    »Das macht doch nichts.« Er drückte meine Taille und sah sich am Tisch um, ob er auch Publikum hatte. »Hauptsache, du amüsierst dich. Hol mir einen Drink, ja?«
    Ich gab einer der Pseudo-Indianerinnen ein Zeichen. Sie hatte offenbar nicht an demselben Mausketier-Lehrgang teilgenommen wie die Angestellten an der Rezeption. Oder vielleicht hasste sie mich aus Prinzip, weil ich besser angezogen war als sie. »Ja, was ist?«
    »Einen Chivas on the rocks, bitte.« Jerry hatte mir bereits während unserer Anreise aus Bosten einen ausgiebigen Vortrag über seine sexuellen und sonstigen Vorlieben gehalten. »Und für mich bitte einen Gin Tonic.« Wenn ich schon hier bin, kann ich mich genauso gut amüsieren, dachte ich. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass sich ein kleiner Schwips in einer unangenehmen Situation oft als hilfreich erweist.
    Jerry wurde zappelig. Ich wartete, bis die Drinks kamen und nahm einige Chips von dem Haufen, den er für mich bereitgelegt hatte. Auch dazu hatte er mir während unserer Autofahrt genaue Anweisungen erteilt. »Die Mädels im Kasino, die arbeiten verdammt hart und verdienen eine Anerkennung. Ich gebe ihnen immer ein Trinkgeld.« Es klang, als wäre es ein noch nie da gewesener Akt der Selbstlosigkeit. Na ja, für Jerry war es das vielleicht auch.
    Ich gab der Kellnerin ein Trinkgeld, was sie kein bisschen freundlicher stimmte. Dann eben nicht, du blöde Kuh, dachte ich. Ich hab’s jedenfalls versucht. Ich stellte Jerrys Drink diskret neben ihn auf den dafür bestimmten hölzernen Untersatz, nippte an meinem Gin Tonic und versuchte, meine Aufmerksamkeit auf den Tisch zu richten.

    Wie sich herausstellte, hing Jerrys Unruhe damit zusammen, dass er eine Pechsträhne hatte.
    Auch ohne etwas von Black Jack zu verstehen, konnte ich erkennen, dass Jerry auf der Verliererstraße war. Vor ihm lagen viel weniger Chips als vorher. Noch schlimmer war, dass alle anderen am Tisch mehr Chips zu haben schienen als er.
    Zu den wenigen Dingen, die ich über Black Jack weiß, gehört, dass man nicht gegen die anderen Spieler spielt. Die sind einfach nur da. Man spielt gegen den Kartengeber, der sich nacheinander allen Gästen am Tisch zuwendet, bis er einmal die Runde gemacht hat. Diese separaten Minidramen spielen sich alle in nahezu völligem Schweigen ab, jeder wartet gespannt auf den Moment, in dem er selbst an der Reihe ist. Es spielt also nicht die geringste Rolle, wie die anderen Leute am Tisch abschneiden.
    Doch auf einer gewissen Ebene spielt es natürlich doch eine Rolle. Jerry schaute immer wieder zu den Chips der anderen, und bei jedem verlorenen Blatt wurde er noch ein bisschen nervöser.
    Er kippte seinen Chivas herunter und schaute sich ungeduldig nach Nachschub um. Als ich die Schmalspur-Pocahontas nicht schnell genug herbeiwinken konnte, reagierte er gereizt. Er stieß laute

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