Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
Vom Netzwerk:
man durch stundenlanges Verlieren am Roulette-Tisch erwirbt, tatsächlich ein kostenloses Essen beinhaltet. Ich hatte ein weitaus drängenderes Problem.
    Ich war entschieden overdressed.
    Es war wirklich zum Lachen, wie naiv ich war. Man kann es auch anders nennen. Einfältig. Leichtgläubig. Romantisch. Es trifft alles zu.
    Die Wahrheit ist, dass ich noch nie in meinem Leben in einem Spielkasino gewesen war. Was ich allerdings recht gut kannte, waren Spionagefilme und Abenteuerserien aus den Sechzigerjahren. James Bond. Steve McQueen in Die Thomas Crown Affäre . Dean Martin als Matt Helm und Frank Sinatra als Tony Rome. Alle vor meiner Zeit, aber dank der modernen Technik meines Videorekorders zu neuem Leben erweckt. Ich hatte ein Faible für diese Filme, ein Faible für die Smokings und die Abendanzüge, die Martinis und Manhattans, die verführerischen Frauen mit den falschen Wimpern und echten Brüsten. Das waren noch Zeiten. Auch meine gesamten Kenntnisse über das Glücksspiel in Kasinos stammten aus diesen Filmen.
    Jerry hatte seine Bedürfnisse unmissverständlich zum Ausdruck
gebracht: Er wollte Eindruck machen. Er wollte, dass ich neben ihm stand, während er Black Jack spielte. Er wollte, dass ich ihm in angespannten Momenten die Schultern massierte. Er wollte, dass ich Drinks für ihn bestellte und sie ihm mit einem Kuss übergab.
    Diese Kombination aus meinen »Kenntnissen« und Jerrys Wünschen führte dazu, dass ich ein einziges festes Bild im Kopf hatte: Tia, das elegante Glamourgirl. Ich sah mich selbst in der Rolle der verführerischen Frau, die sich über den Held im Smoking beugt, während er mit stahlhartem Blick seinem Gegner ins Auge schaut, bevor er im entscheidenden Moment die Karte umdreht und – gewinnt. Yeah! Ich glaube, ich erwähnte schon, dass ich einen Hang zur Romantik habe …
    Das einzige Problem war, dass sich alle anderen in einem anderen Film befanden. Ich war in Casablanca und die anderen, Jerry eingeschlossen, in Die Nervensäge .
    Jerry trug eine rötlich braune Trainingshose und ein T-Shirt mit der Aufschrift »I Love New York«. Fast jeder der Anwesenden schien dasselbe Memo erhalten zu haben wie er. Man trug Polyester. Ein älteres Ehepaar trug (ungelogen) T-Shirts mit dem Aufdruck »Alter Sack« beziehungsweise »Alte vom Sack«. Die eleganter gekleideten Gäste trugen Jeans.
    Ich dagegen hatte ein kleines schwarzes Nichts von Lord & Taylor an sowie Nahtstrümpfe und hohe schwarze Stöckelschuhe.
    Das Essen kam und war so, wie man es in einem Steak House in einem Kasino erwartet. Ich war froh, dass ich Jerrys Anregung gefolgt war – bei Hummer muss man sich schon große Mühe geben, um ihn zu verderben. Dazu bestellten wir eine Flasche einheimischen weißen Zinfandel. Als die Kellnerin ihn öffnete, machte Jerry einen Witz darüber, dass die Flaschen bei ihm zuhause alle Drehverschlüsse hätten. Ich versuchte, so zu tun, als ob ich nicht da wäre.
    Als die Bedienung sich entfernte, folgte Jerry ihr mit einem
Blick, dem nichts entging. »Sie hat einen tollen Arsch«, verkündete er.
    Ich stimmte pflichtschuldig zu, war aber nicht wirklich bei der Sache. Ich machte mir immer noch Gedanken über meine Aufmachung.
    Jerry schürzte die Lippen. »Ich wette, sie steht auf Frauen. Das sehe ich sofort. Sie hat deine Titten angestarrt.«
    Kein Wunder, da meine die einzigen waren, die man im Umkreis von etwa zehn Meilen sehen konnte. Sie hatte sich wahrscheinlich gefragt, wie viel mein Kleid gekostet hatte. »Meinst du?«, fragte ich zweifelnd.
    »Hundertpro!«, erklärte er mit einem nachdrücklichen Nicken. »Hey, ich frag mich gerade, ob sie nicht vielleicht Lust hätte, mit uns zu kommen, wenn sie hier Feierabend hat. Sie findet es garantiert total geil, wenn ich ihr dabei zuschaue, wie sie mit dir rummacht.«
    Okay. Kurze Pause im Programm. Ich werde jetzt etwas sagen, das vielleicht einige Illusionen zerstören wird, aber sei’s drum. Man kennt ja die Großstadtlegenden, die da draußen kursieren, wie zum Beispiel die Geschichte über die Alligatoren, die in der Kanalisation leben, oder über die Kids, die eine Katze in die Mikrowelle stecken, wo sie dann explodiert. Dann gibt es außerdem noch Mythen für bestimmte Spezialgebiete. Eine katholische Großstadtlegende besagt zum Beispiel, dass Maria Magdalena eine Prostituierte war (ich hab das recherchiert, weil ich dachte, ich könnte eine Schutzheilige gebrauchen). Kurze Einblendung in Leuchtbuchstaben: Stimmt nicht! Aber

Weitere Kostenlose Bücher