Callgirl
zurückgeben. Es war die erste, die ich in diesem Kurs gestellt hatte, und zwar zu dem schwierigen Thema Kinder und Tod. Ich hatte die Teilnehmer gebeten, eine Kurzgeschichte darüber zu schreiben, wie man einem Kind erklärt, was der Tod ist. Die Thematik stimmte mich wie jedes Mal auch dieses Mal wieder traurig. Nachdem ich den Tag damit verbracht hatte, die Aufsätze zu lesen und zu benoten, fühlte ich mich emotional ausgelaugt. Mein Programm für den Abend stand fest: Pyjamas und Fernsehen, indisches Essen vom Imbiss an der Straßenecke und eine Runde Schmusen und Spielen mit Scuzzy.
Überflüssig zu sagen, dass Peach diesen Plan mit einem eigenen durchkreuzte.
Sie kam ohne Umschweife zur Sache: »Jen, du bist heute Abend meine letzte Rettung. Ich zahle dir auch einen kleinen Bonus. Ich möchte nicht, dass dieser Kunde eine andere Agentur anruft.«
Ich seufzte: »Wie hoch ist der Bonus?« Ich war fast so weit, dass ich alle meine Rechnungen bezahlt hatte, aber eben nur fast. Das Geld war immer noch knapp, und Peach wusste das.
Blitzschnelles Rechnen an der anderen Seite des Telefons und dann ein schwerer Seufzer: »Also gut, 50 Dollar extra.« Das bedeutete natürlich, dass sie dem Kunden diese Summe draufschlagen würde. In der ganzen Zeit, in der ich für Peach gearbeitet
habe, habe ich kein einziges Mal erlebt, dass sie irgendwelche Abstriche an ihrem eigenen Anteil gemacht hätte. Sie brauchte also wirklich nicht so zu stöhnen, als würde ich ihr das letzte Hemd rauben.
Auf jeden Fall hatte sie mich mit dem Angebot am Haken. Ich griff nach Stift und Papier. »Okay, Peach, ich mach’s. Wie heißt er?«
»Dave Harcourt. Er ist ein Stammkunde. Wohnt in Needham. Du brauchst Wäsche. Hast du was Nettes?«
»Klar.« Doch es beendete meine Hoffnungen auf einen ungezwungenen Abend mit Jeans und einfachen Accessoires.
»Super! Er wird dir sagen, was er möchte. Ruf mich zurück.«
Dave überraschte mich. Er war der einzige Kunde, den ich je angerufen habe, der nicht sofort wissen wollte, wie ich aussah. Er interessierte sich mehr für meinen Kleiderschrank. Oder genauer gesagt, für die Schublade mit der Unterwäsche. »Was bringst du mit?«
Das Wort »bringen« klang ein bisschen merkwürdig, aber ich war daran gewöhnt, dass die Kunden nervös waren. »Was würde dir gefallen?«, fragte ich. »Ich habe …«
»Schwarze Strümpfe und Strapse«, unterbrach er mich. »Und einige unterschiedliche BHs. Und ein paar Bodys. Oh, und was für eine Schuhgröße hast du?«
»Neun«, sagte ich lahm. Das klang, als wolle er keine Begleitung, sondern eine Modenschau. Das klang auch, dachte ich resignierend, nach ziemlich anstrengenden 60 Minuten.
»Das wird reichen. Bring mehrere Paare mit, Stöckelschuhe, schwarz.«
»Das hört sich toll an«, flötete ich. »Ich habe ein Cocktailkleid, das …«
Meine Bemühungen waren überflüssig. »Es ist mir eigentlich nicht so wichtig, was du anhast«, erklärte Dave. »Wann kannst du hier sein?«
Peach bestätigte meine Vermutung. »Pack die Sachen in eine Tasche«, riet sie. »Er will nicht, dass du sie trägst, er will sie selbst anziehen. Und sei diskret, er wohnt in einer feinen Gegend.«
Er hatte einen recht mittelmäßigen Weingeschmack, einen noch schlechteren Geschmack in punkto Einrichtung und konnte es kaum erwarten, meine Mitbringsel in Augenschein zu nehmen. Das Problem war nur, dass wir nicht einmal annähernd die gleiche Größe hatten.
Es folgte eine filmreife Darbietung a là Der mit den Dessous kämpft : Fluchend und nach Atem ringend, erzwang sich der Held seinen Weg in die Unterwäsche. Vor dem Body kapitulierte er irgendwann, aber es gelang ihm, sich den BH über seine schwabbelige Brust zu schnallen. Ich stand hinter ihm und mühte mich damit ab, den Strumpfhaltergürtel so weit auseinander zu zerren, dass ich ihn im Rücken zusammenhaken konnte. Ich kam mir vor wie eine viktorianische Matrone, die versucht, eine naschsüchtige Debütantin in die Form einer Sanduhr zu zwingen.
Meine Debütantin und ich schafften es schließlich, und bald darauf hatte sich Dave auch in die Strümpfe und Schuhe gekämpft und probierte unterschiedliche Posen vor dem riesigen Spiegel, der eine ganze Wand des Wohnzimmers ausfüllte. Der Anblick versetzte ihn unübersehbar in wachsende Erregung, und das Einzige, was dabei von mir erwartet wurde, war offenbar, dass ich an meinem Wein nippte und ihm bestätigte, wie außerordentlich entzückend er aussah. Am Ende
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