Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
Vom Netzwerk:
Lebenszusammenhängen sehen.
    Ich führte ein absolutes Doppelleben, war tagsüber die Dozentin und nachts das Callgirl … und sie konnten zueinander nicht finden …
    Es würde helfen, dachte ich, wenn es wenigstens einen Menschen gäbe, der meine beiden Seiten kennt. Der mich als Wissenschaftlerin respektiert und gleichzeitig von meiner Tätigkeit als Callgirl weiß.
    Ich dachte sofort an Seth. Die Freundschaft zu Seth hatte trotz der üblichen Höhen und Tiefen länger gehalten als alle anderen. Wir hatten uns übers Internet kennen gelernt, bevor es modern war, sich übers Internet kennen zu lernen. Wir hatten einander mittels E-Mails und gelegentlichen Telefonaten zur Seite gestanden, einander gegenseitig durch Ehen und Liebesbeziehungen, durch Krisen und Katastrophen begleitet. Und Seth würde mein Verhalten nicht werten. Für ihn zählte nur, ob es mir gut ging.
    Also rief ich ihn eines Nachts von meinem Handy aus an, als ich auf dem Weg von einem Kunden zum nächsten war. Da Seth
in Manhattan lebte, war es zwar ein Ferngespräch, aber das konnte ich mir inzwischen leisten.
    »Ich mache das nur vorübergehend, weißt du, bis ich das Darlehen für meine Ausbildung abbezahlt habe.«
    Seine Stimme klang besorgt: »Klar, aber hör mal, wie ist das mit der Sicherheit?«
    Ich kicherte. »Sicherer als alles, was ich bisher gemacht habe, Schätzchen. Ich achte sehr genau darauf, dass der Gummi drauf ist. Darauf kannst du Gift nehmen.«
    »Das meinte ich nicht. Du weißt, was ich meine.«
    »Ja … ich weiß, was du meinst, Seth, und ich halte das Risiko für tragbar. Peach überprüft die Kunden ziemlich genau, und bis jetzt treffe ich mich nur mit Stammkunden, mit Männern, die sie seit langem kennt und die ihre Agentur regelmäßig in Anspruch nehmen. Darauf habe ich bestanden. Ich habe ihr gesagt, dass ich es mir nicht leisten kann, verhaftet zu werden. Von daher ist es also ganz okay. Wirklich.«
    »Ich mach mir nur Sorgen um dich. Das ist alles.«
    »Ich weiß.« Eine Welle der Zuneigung überkam mich. Er war wirklich ein Schatz. »Und ich bin dir dankbar, weil du dich sorgst. Aber im Grunde tut mir der Job sogar auf merkwürdige Weise gut.«
    »Wie das?«
    »Also, du weißt doch von dem Fiasko mit Peter, der miesen Ratte, und wie er mich immer davon überzeugen wollte, dass ich überhaupt nichts wert sei. Ganz zu schweigen von all den anderen Mistkerlen, denen ich geglaubt habe, wenn sie ihre eigenen Unzulänglichkeiten auf mich projizieren wollten. Tja, und jetzt mache ich eben eine ganz andere Erfahrung: Es gibt jede Menge Männer in dieser Stadt, die bereit sind, 200 Dollar dafür zu bezahlen, dass sie eine Stunde in meiner Gesellschaft verbringen dürfen. Sie denken, dass ich das wert bin. Und ich fange gerade an, ihnen zu glauben. Ich kann dir sagen, das ist ungeheuer aufbauend für das Ego.«
    »Verstehe. Aber du musst doch auch bedenken, was das für Männer sind.«
    Ich bremste wutentbrannt an einer Ladezone. Ich kann nicht Auto fahren und gleichzeitig Leute ausschimpfen. »Ach, so ist das! Du willst also darüber reden, was das für Männer sind? Tja, schauen wir mal: Letzte Nacht hatte ich einen Streicher aus dem Boston Symphony Orchestra. Und danach habe ich einen Typ in seiner Stadtvilla in Beacon Hill besucht. Der hatte einen Renoir an der Wand hängen. Und im Moment bin ich gerade auf dem Weg zum Massachusetts Institute of Technology. Echte Loser. Da hast du Recht, Seth. Ich hätte bei Peter, dem Drogendealer, bleiben sollen. Der Mann hatte echt Klasse. Seinen Penis hätte ich natürlich viel lieber in mir drin.« Ich holte zitternd Luft.
    »Schon gut, Liebes, schon gut. Beruhige dich. So hab ich’s doch gar nicht gemeint.«
    So leicht kam er mir nicht davon. »Zur Hölle mit dir! Und ob du das so gemeint hast!«
    Schweigen. Dann: »Okay, du hast Recht. Ich habe vielleicht wirklich eine falsche Vorstellung von dem Typ Mann, der zu einer Nutte geht.«
    Ich spürte, wie mein Blutdruck erneut anstieg. »Nutte!? Du hast mir überhaupt nicht zugehört, oder? Was glaubst du eigentlich? Meinst du, ich gehe in Shorts und Stiefeln auf Freierfang? Meinst du, ich klopfe im Rotlichtviertel an Autoscheiben und biete ein bisschen Spaß auf dem Rücksitz an? Himmel, Seth, ich dachte, du würdest mir zuhören! Ich dachte, du würdest mich verstehen!«
    »Ist ja gut, Liebes. Ich finde es cool, was du machst, ich habe überhaupt keine Einwände dagegen. Ich will doch nur nicht, dass dir etwas zustößt.« Ja,

Weitere Kostenlose Bücher