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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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meiner »Ich-glaube-ich-bin-lesbisch«-Phase steckte, hatten wir dieselben Frauen angebaggert, aber das war nur ein Spiel. Ich wollte nicht, dass er so war wie alle anderen. Ich wollte, dass er Seth blieb – anders, ungefährlich. Ich wollte mit ihm nicht dieselben Kämpfe austragen, die ich da draußen jeden Tag mit allen anderen Menschen ausfechten musste.
    Nachdem ich ihm in dieser Nacht eröffnet hatte, was ich machte, lief alles weiter wie bisher – wir schickten uns E-Mails, telefonierten gelegentlich, und er fragte mich jedes Mal, ob ich noch arbeitete. Wenn ich die Frage bejahte, sagte er bloß: »Sei vorsichtig, Liebes. Pass auf dich auf.«
    Und das gefiel mir. Mir gefiel, dass er es wusste und es akzeptierte und sich Sorgen machte.
    Kurz nach Weihnachten schickte er mir eine E-Mail: »Ich muss für die Firma nach Boston. Jippi! Was hältst du von Drinks im Ritz und einem Dinner bei Morton (auf Firmenkosten)?«
    »Was halte ich wohl davon?«, schrieb ich zurück. »Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen. Aber deine Firma wird knickriger. Haben sie dir nicht letztes Jahr noch ein Zimmer in den Four Seasons spendiert? Dagegen ist das Ritz ja fast eine Absteige.«
    Ein paar Minuten später piepte mein Posteingang. »Na und? Ich brauche nur einen Zimmerservice zu meinem Glück. Wenn ich morgens den Globe und zum Frühstück Eier mit Schinken bekomme, bin ich wunschlos glücklich. Ich bin ein Mensch mit einfachen Bedürfnissen. Außerdem habe ich diesmal eine Suite. Wollen wir uns da nächsten Donnerstag treffen? Um sieben? Ich lasse eine Flasche Champagner für dich kalt stellen.«

    Ich konnte nicht widerstehen: »Welche Marke?«
    Die E-Mails flogen heute hin und her. Piep. »Nenn eine Marke, und sie ist schon bestellt. Hab ich mich je mit dem Zweitbesten zufrieden gegeben?«
    Ich tippte wieselflink: »Nun ja, wie war das mit deiner Exfrau …?«
    Piep: »Daran musst ausgerechnet du mich erinnern. Bis Donnerstag. Pass auf dich auf.«
    Die Woche verging, und ich nahm mir den Donnerstagabend frei. Bis etwa 15 Uhr versuchte ich, einen neuen Unterrichtsplan zu erstellen, dann gab ich es auf, machte einen kurzen Spaziergang am Fluss und landete anschließend in der neuen Galleria-Einkaufsstraße. Es war lausig kalt. Ich hoffte inständig, dass Seth ein Taxi für den Weg vom Hotel ins Restaurant spendieren würde. Seit fünf Jahren kam er nun schon regelmäßig nach Boston, und seit fünf Jahren trafen wir uns dann zunächst auf ein paar Drinks in seinem Hotel und gingen anschließend zum Dinner, und zwar ausnahmslos zu Morton. »Du wirst es nicht glauben«, sagte ich, »aber es gibt tatsächlich noch ein oder zwei andere Restaurants in Boston.«
    »Meiner Meinung nach nicht.«
    Ein letzter schwacher Protest. »Was, wenn ich Vegetarierin werde?« Bei Morton bringen sie das aufgeschnittene Fleisch an den Tisch, und man wählt nicht von der Karte, sondern vom Servierwagen. Das Fleisch ist dann selbstverständlich noch roh. Für Veganer die Hölle.
    Seth kannte kein Erbarmen: »Dann kannst du mir beim Essen zuschauen.«
    Donnerstagabend zog ich das kleine schwarze Cocktailkleid an, das bei allen Gelegenheiten passt, und legte dazu meine Perlenkette um – das einzige Schmuckstück, das die Beziehungskatastrophe mit der miesen Ratte überlebt hatte. Wie üblich trug ich schnell ein dezentes Make-up auf, was mir schon fast zur
zweiten Natur geworden war, seit ich für Peach arbeitete, schlüpfte dann in meinen allerdicksten Wintermantel und fuhr zum Ritz-Carlton. Der Firma musste es ziemlich gut gehen, dachte ich. Zimmer im Ritz kosten um die 395 Dollar die Nacht.
    Ich parkte in einer Tiefgarage unter den öffentlichen Grünanlagen, weil ich Seth die Peinlichkeit ersparen wollte, dass eine unbekannte Besucherin ihre Parkgebühren auf sein Hotelzimmer buchen ließ. Ich schnappte mir das Buch, das ich als Geschenk für ihn in der Avenue Victor Hugo gekauft hatte (nichts Geringeres als eine Erstausgabe von Swinburne) und machte mich auf den Weg zu seiner Suite.
    Er telefonierte gerade und winkte mich herein. »Okay, Dean, das müssen wir morgen Früh noch mal ausführlich besprechen. Genau. Alles klar. Nein, ich geh jetzt gleich essen. Ja. Exakt. Okay, bis dann. Mach’s gut.«
    Ich runzelte die Stirn. »Die sprühenden Unterhaltungen der Reichen und Mächtigen setzen mich doch immer wieder in Erstaunen. Neulich habe ich gehört, dass Bill Gates sogar vollständige Sätze bilden kann, wenn er es

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