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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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einfach mal, dass Sie eine Frau kennen, die bei einer Begleitagentur arbeitet. Oder eine Bordellbesitzerin. Ihre Freunde werden hingerissen sein. Garantiert.
    Sie werden das Thema dann allerdings auch nicht wieder
wechseln können. Aber wenn Sie mal nichts Besseres vorhaben, ist es trotzdem ein interessantes Experiment.
    Auf einer tödlich langweiligen Uni-Party mit Wein und Käsehäppchen erwähnte ich einmal beiläufig, dass eine meiner Bekannten als Puffmutter arbeite. (Es war in Harvard, und deshalb war es auch ein bisschen leichtsinnig, aber sei’s drum, ich hatte bloß eine Stelle als Teaching Assistant, man würde mir ohnehin keine Festanstellung anbieten, und ich war gelangweilt und hatte bereits drei Gläser wirklich schlechten Portweins intus.) In null Komma nichts war ich von Männern umlagert.
    Insgeheim dachte ich, wie schön es wäre, wenn sie mit der gleichen Begeisterung auf meine wissenschaftliche Arbeit reagieren würden. Immerhin bemühten sie sich, ihre Geilheit in eine angemessene Form zu bringen und sie hinter sachlichen, beinahe akademisch klingenden Fragen zu verstecken.
    Ich habe nicht hingesehen (schließlich wollte ich mir trotz allem die Chance auf befristete Lehraufträge bewahren), doch ich gehe jede Wette ein, dass sie alle schon bei der bloßen Erwähnung des Wortes Prostitution einen Steifen bekommen hatten. Männer finden dieses Thema einfach wahnsinnig fesselnd. »Aber stimmt es nicht, dass die meisten Frauen in diesem Gewerbe eigentlich Nymphomaninnen sind, die ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse befriedigen?« Ein Spitzbart vibrierte über einem Glas faden Sherrys.
    Höchstens in deiner Fantasie, du Wichser.
    Und diese Faszination gilt gleichermaßen für alle ideologischen Lager, für die Liberalen, die die Prostitution legalisieren wollen, ebenso wie für die Fundamentalisten, die von der Kanzel gegen Unmoral wettern.
    Aber das spielte keine Rolle. Ich hatte einen sicheren Hafen, eine Insel im Meer des vorhersagbaren und lästigen männlichen Interesses. Die Spitzbärte konnten tropfen so viel sie wollten. Ich hatte Seth.

    Seth wollte nicht wissen, wer oder wo oder wie viele. Er wollte nicht über Orgasmen oder Preise reden. Er wollte auch nicht darüber fachsimpeln, ob die Frauen, die es vor dem Kunden miteinander treiben, lesbisch sind (»Ist es nicht so, dass …«). Er wollte einfach nur sicher sein, dass ich nicht in Gefahr war.
    Dafür liebte ich ihn.
    Wir tranken wunderbaren Champagner und sprachen nicht über meine Arbeit – schließlich war das sowieso ein ziemlich deprimierendes Thema, weil alles danach aussah, als ob ich auch in diesem Herbst nur einige sporadische Kurse am College unterrichten würde. Über Seths Arbeit sprachen wir auch nicht. Seth bekleidete eine sehr hohe Position in einem Unternehmen, das die Führung übernehmen will, wenn Microsoft eines Tages dem unausweichlichen Schicksal aller Imperien anheim fällt und untergeht. Das meiste, was er tat, fiel in die Kategorie: »Ich könnte es dir erzählen, aber danach müsste ich dich umbringen.«
    Wir unterhielten uns einfach über Gott und die Welt. Über einen gemeinsamen Freund, der die dritte Hauptrolle in einem gerade angelaufenen bedeutenden Kinofilm spielte. (Ich warte ja immer noch auf den Tag, an dem sie den nächsten »unbedeutenden« Kinofilm ankündigen; den würde ich mir glatt ankucken.) Der aufstrebende Jungstar wurde von uns beiden abfällig und eifersüchtig als »Eintagsfliege« abgetan. »Kein Stehvermögen«, urteilte Seth, und ich nickte weise über meinem zweiten Glas Champagner.
    Wir sprachen über Catherines Arbeit an ihrer Dissertation, und ich wies düster darauf hin, dass sie mit einem Abschluss in einem technischen Fach vermutlich besser bedient wäre. So nach dem Motto: Schau dir an, was mein Titel mir gebracht hat! Ein bisschen Zynismus hier und da schadet nicht, und ich konnte mich in meiner Überlegenheit sonnen, da sie immer noch nach dem Heiligen Gral strebte, während ich ihn schon erreicht hatte. Seth erzählte, dass Catherine ihn gebeten habe, sich mehr zu öffnen,
ihr mehr zu vertrauen, und wie er auf ihre Bitten reagiert hatte. »Was soll ich denn sagen? Sie fragt mich, was ich jetzt, in diesem Moment gerade denke, aber ich denke bloß, wann wohl das Fußballspiel anfängt.« Wir sprachen (kurz) über mein derzeitiges Desinteresse an einer festen Bindung. »Es ist schwer, das mit dem Job bei Peach zu verbinden, Seth. Ich meine, ich bin abends oft unterwegs, und

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