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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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meine Freundin sein, so wie damals, als wir uns kennen lernten.
    Aber während ich im Bett lag und das wechselnde Muster der Schatten an meiner Zimmerdecke beobachtete, wusste ich, dass ich nicht bereit war, meine wackelige Theorie in der Praxis auszutesten. Danach rief ich Sophie nicht mehr an, und sie mich auch nicht.
    Drei Wochen später ging es in dem Kurs »Über Tod und Sterben« um das Thema Beisetzungen und um die Frage, wie die Totenfeiern in verschiedenen Kulturen aussehen und was diese Rituale für Trauernde bedeuten. Und obwohl ich über das buddhistische Konzept des Bardo sprach, über jenen Zwischenschritt, der so wichtig für die richtige Reinkarnation ist und nur erfolgreich verlaufen kann, wenn die Familie des Verstorbenen die Rituale korrekt ausführt, hatte ich plötzlich eine Vision von Sophie, wie sie versucht, das Richtige zu tun, zur Beerdigung ihres Vaters nach China zurückkehrt und ins Gefängnis geworfen wird. Ich
war froh, dass die Unterrichtsstunde fast zu Ende war. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, und ich konnte kaum noch atmen.
    Anschließend fuhr ich gar nicht mehr in meine Wohnung, sondern direkt nach Natick, hämmerte an Sophies Tür, bis sie aufmachte. »Hi, Jen, was ist denn los? Willst du’n Zug?«, fragte sie lässig, die zur Crackpfeife umfunktionierte Wasserflasche in der Hand.
    Sie, der Leser, fragen sich vielleicht, was ich dort wollte. Welcher kranken Rettungsfantasie hing ich an? Wollte ich Sophie helfen oder wollte ich mir selbst helfen?
    Ich hatte eine einfache Idee. Sophie hatte ihre Möbel verloren und glitt in die Sucht ab. Vielleicht, nur ganz vielleicht, würde es ihr besser gehen, wenn sie wieder Möbel hätte, weil sie sich daran erinnern würde, wie es früher gewesen war. Nun ja, damals war ich davon überzeugt. Schwer zu glauben, dass ich einen Doktortitel habe. Schwer zu glauben, dass ich ein Hirn habe.
    Ich trieb sie aus der Wohnung und in mein Auto. Vermutlich hat sie sich gewehrt, vermutlich hat sie protestiert, aber ich duldete keine Widerrede. Auf der Route 9 parkte ich vor dem ersten Möbelgeschäft, an dem wir vorbeikamen. Ich war besessen, ich war auf einer Mission. Ich kaufte ihr ein Bett und einen Couchtisch und zwei Sessel. »Das gehört zum Leben«, zischte ich ihr zu, als ich mit meiner Kreditkarte bezahlte und die Lieferung zu ihrer Wohnung in Auftrag gab. »Du zahlst es mir zurück. Dazu bist du verpflichtet.«
    »Das ist wirklich lieb von dir«, sagte sie staunend. »Du glaubst an mich, Jen. Ich werde dich nicht enttäuschen. Du weißt doch, dass ich dich nicht enttäuschen werde, oder? Ich zahle es dir zurück, sobald ich kann. Wenn ich das nächste Mal einen Kunden habe, gebe ich dir etwas von dem Geld zurück.«
    »Ich weiß«, sagte ich und fuhr sie nach Hause, wo sie etwas mehr Crack kochte. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich zu ihr auf den Futon gesellte und auch ein paar Züge
nahm (wie war das mit der Gelegenheit und den Dieben?). Als der Crack aufgeraucht war, schlug sie vor, den Dealer anzurufen und mehr zu bestellen, aber ich hatte genug.
    Als ich zu Hause war, stellte ich mich sehr lange unter die Dusche, wusch den süßlichen Geruch des Rauchs ab, ließ sowohl meinen Stoffwechsel als auch meine Kopfhaut vom heißen Wasserstrahl massieren. Von einem Kokaintrip runterzukommen ist extrem unangenehm. Von einem Cracktrip runterzukommen ist die Hölle. Ich wollte nicht mehr über Sophie nachdenken. Ich nahm ein paar Schlaftabletten, spülte sie mit einem Schluck Oban herunter (ich habe immer eine Flasche im Haus, für den Fall, dass einmal Gäste mit einem ausgesuchten Geschmack in Sachen Malt-Whiskey bei mir vorbeischneien sollten) und ging ins Bett.
    Ein paar Tage später kam Sophie abends vorbei und übergab mir einen Umschlag mit der ersten Abzahlung für die Möbel. Ich wollte ihr vertrauen, aber ich behielt sie trotzdem im Auge. Offenbar ließ meine Wachsamkeit etwas zu wünschen übrig, denn nachdem sie gegangen war, bemerkte ich, dass meine Uhr und meine Diamant-Ohrstecker verschwunden waren. Ich öffnete den Umschlag; er enthielt weiße Blätter linierten Papiers, das aus einem Notizheft herausgerissen war.
    Ich weinte und weinte und weinte.
    Am Ende gelangte ich schließlich zu der Entscheidung, dass Andy Recht hatte. So wollte ich nicht leben. Ich wollte nicht länger Crack rauchen oder »Freebase«, was Sophie von mir erwartete und was ich ein bisschen zu bereitwillig tat. Ich wollte nicht meinen Beruf,

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