Calling Crystal
Riesin.«
»Lass einem Mädchen doch bitte ein paar Illusionen.«
»Komm schon. Dann wollen wir uns mal das Donnerwetter anhören.«
Aber als wir im Hotel angekommen Victor und Saul über unsere sichere Rückkehr informierten, bewahrte mich Xav sogar vor dem Allerschlimmsten, indem er erklärte, dass es schon zu spät sei, um mir eine ordentliche Standpauke zu halten. Er würde ihnen berichten, was passiert war, wenn sie mich zu Bett gehen ließen.
»Morgen ist wieder ein anstrengender Tag. Sie hat heute Nacht schon genug durchgemacht.«
»Du versprichst uns, das Haus nicht mehr auf eigene Faust zu verlassen?«, fragte Saul, die Hände auf meinen Schultern, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.
Es fühlte sich großartig an, wieder von einem Vater geschimpft zu werden; am liebsten hätte ich ihn ganz fest an mich gedrückt, doch stattdessen setzte ich eine zerknirschte Miene auf. »Ehrenwort!«
»Dann geh jetzt schlafen.«
Ich war ein bisschen verlegen und konnte ihm nicht richtig in die Augen schauen. »Ich werde versuchen, das, was geschehen ist, rückgängig zu machen. Ich glaube, ich weiß jetzt auch wie.«
»Tatsächlich?« Er konnte den leisen Anflug von Hoffnung in seiner Stimme nicht verbergen.
»Na ja, vielleicht. Ich kann leider nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass es klappen wird.«
»Natürlich nicht, Liebes. Bis morgen dann.«
Xav begleitete mich die wenigen Meter bis nach Hause und gab mir an unserem Tor einen Gutenachtkuss.
»Ich hoffe inständig, dass ich das hinkriege«, flüsterte ich.
»Ich habe Vertrauen in dich, Crystal. Versuch mal, auch welches in dich selbst zu haben.«
»Die Contessa hat gesagt, ich würde schwierige Entscheidungen treffen müssen und dass ich womöglich mehr Schaden als Gutes bewirken würde.«
»Vermutlich hat sie recht, aber nichts zu tun, ist ja auch eine Art von Entscheidung.«
»Ja, das denke ich auch. Sie hat versucht, die Leute am Leben zu hindern, und das ist noch schlimmer.«
Xav wuschelte mir durch die Haare. »Geh jetzt schlafen. Wir kümmern uns morgen darum.«
»Kann ich jetzt ›ich liebe dich‹ sagen, ohne dass du mir den Kopf abreißt?«
»Hm, klingt nach einer guten Idee.« Er nahm meinen Kopf in die Hände und tat so, als würde er ruckartig daran ziehen.
Ich schob ihn von mir fort. »Kannst du denn nie mal ernst sein?«
»Äh.« Er gab vor zu überlegen. »Nein. Und du?«
Ich lachte. »Nicht oft.«
»Ich liebe dich, Crystal.«
»Dito, Xav.« Ich ließ das Tor hinter mir zufallen und wärmte mich auf dem Weg zum meinem Schlafzimmer am Nachhall unserer Worte.
Es herrschte eine hoffnungsvolle Stimmung, als ich am nächsten Morgen aus einem traumlosen Schlaf erwachte. Alle hatten sich im Wohnzimmer und in der Küche versammelt und gaben sich große Mühe so zu tun, als würden sie nicht auf mich warten.
Als ich von meinem Schlafzimmer ins Badezimmer tappte, sah ich mit leisem Entsetzen, dass auch Steve und Lily gekommen waren.
Gedankliche Notiz: immer den Disney-Schlafanzugausziehen, bevor man einem Weltstar und einer hippen Kostümbildnerin gegenübertritt.
»Hey Leute, einen kleinen Moment, ja?«, krächzte ich. Ich schloss die Tür ab und betrachtete mich im Spiegel. Jepp, genauso schlimm hatte ich es mir vorgestellt: Auf der einen Seite standen meine Haare hoch und auf der anderen klebte ein Vogelnest. Ich machte mich schnell an die Schadensbegrenzung, dann huschte ich zurück in mein Zimmer, um meine bequemsten Klamotten anzuziehen. Ich hatte mir den von Xav geborgten Pulli übergeworfen, was einer morgendlichen Umarmung schon ziemlich nahe kam.
»Okay, ich krieg das schon hin.« Ich sah aus dem Fenster. Das Leben da draußen ging ganz normal weiter: Rocco jagte Vögel, Barozzi schaute ihm von seinem Gefechtsposten aus zwischen halb geöffneten Lidern dabei zu. Ich dachte an Signora Carriera, die sich im Loyalitätskonflikt befunden hatte, nachdem unsere Version der Geschichte publik gemacht worden war. Nach einem Gespräch mit Diamond hatte sie sich jedoch auf unsere Seite geschlagen. Sie kannte meine Schwester einfach zu gut, sodass ihr klar war, dass irgendetwas nicht stimmte. Netterweise hatte sie mir bis nach der Hochzeit freigegeben, um die Familienkrise zu bewältigen. Sie stellte sich immer mehr als eine gute Freundin heraus; ich hätte nie gedacht, mal einen richtigen Kumpel zu haben, der der älteren Generation angehörte. Andererseits hätte ich mir auch in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen
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