Calling Crystal
auf. Sollte das jetzt eine Pyjamaparty werden, oder was?
»Hi. Und, hat Rom dir gefallen?«
»Es war fantastisch – ich hätte noch eine Woche dableiben können. Wie war dein Tag?«
»Ähm …« Ich hatte ein Date mit einem superhotten Filmstar und möglicherweise sind dabei Fotos entstanden, auf denen man Dinge sieht, die sonst im Verborgenen bleiben. Himmel, hoffentlich nicht! »Gut, danke.«
»Super. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.«
Nicht, wenn ich vorher noch die Flatter machen konnte. Vielleicht käme ich ja mit einem blauen Auge davon, wenn ich den Router kurzschließen und danach alle Zeitungen im Umkreis von einem Kilometer aufkaufen würde? »Ja. Schlaft schön.«
Die Tür schloss sich. Oh mein Gott, was hatte ich da bloß getan?
Kapitel 8
Der neue Morgen wartete leider nicht mit tröstlichen Erkenntnissen auf, und so stahl ich mich leise aus der Wohnung, ließ das Frühstück und die Joggingrunde sausen und verkroch mich zum Arbeiten ins Atelier.
»Wie war denn deine Verabredung gestern Abend?«, fragte Signora Carriera, als sie Rechnungen und Zahlungseingänge überprüfte.
»Mhm«, machte ich, ohne die Nadeln aus dem Mund zu nehmen.
»So gut, ja?« Sie lächelte. »Ich mag diese Ausstellungseröffnungen nicht – ich finde es besser, sich die Arbeiten später in Ruhe anzusehen, wenn es nicht ganz so voll ist. Und wie war dein Begleiter? Bestimmt hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen!«
Ich klaubte mir die Nadeln aus dem Mund. »Er war reizend, aber ich hab nicht mal ein schwach blinkendes Pünktchen auf seinem Radar hinterlassen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Die Signora kicherte verständnisvoll. »Ich hoffe, essind trotzdem ein paar schöne Fotos dabei rausgekommen, das war doch der Sinn der Sache, oder?«
Wirklich? Da war ich mir nicht mehr so sicher. Jetzt, da ich mir noch mal alles durch den Kopf gehen ließ, fand ich meine Beweggründe mehr als fraglich. Ich hatte nicht gründlich genug darüber nachgedacht, was es bedeutete, ein Model zu sein, mit dem ganzen Gepose und allem, was dazugehörte, geschweige denn, ob ich bereit war, den Preis des Ruhms zu zahlen. Fand ich es letzten Endes nicht viel befriedigender, etwas mit meinen eigenen Händen zu erschaffen, als nur ein Objekt zu sein, das ein anderer Künstler nach seinen Vorstellungen formte? Ich hatte beweisen wollen, dass ich mehr war als Diamonds hässliche kleine Schwester, aber darauf konnte man nicht ein ganzes Leben aufbauen.
Schlussfolgerung: Ich hatte gewaltigen Mist gebaut. Es war toll gewesen, sich zum ersten Mal im Leben schön und nicht als Freak zu fühlen, aber das reichte nicht für eine Karriere. Vermutlich wussten viele Leute in meinem Alter noch nicht so genau, was sie mit ihrer Zukunft anfangen wollten, und probierten sich deshalb erst einmal aus; dummerweise hatte ich das vor den Augen der Öffentlichkeit getan. Tja, vermutlich sollte ich es einfach als Erfahrung verbuchen, die tollen Fotos von Joe als Erinnerung für meine Enkel aufbewahren und darauf hoffen, dass die Zeitungen im Altpapier landeten, bevor meine liebe Familie mich darin entdeckte. Und dann sollte ich endlich meine Ambitionen bezüglich Textildesign weiterverfolgen.Wiederholung des Examens und Collegebesuch – darüber sollte ich jetzt nachdenken.
Aber falls ich doch weltberühmt würde, könnte ich erst die neue Kate Moss werden und dann noch Design studieren.
Was sollte das denn nun wieder? Mit mir war es ein ewiges Hin und Her. Ich konnte einfach nicht an einer Entscheidung festhalten: modeln – ja, modeln – nein. Warum bloß wusste ich nicht, was ich wollte?
Die Ladentür wurde aufgerissen.
»Crystal!«
Verdammt, verdammt, verdammt – das war Xav. Ich zog den Kopf ein. Signora Carriera, die beim Klingeln der Ladenglocke aufgestanden war, hob eine Augenbraue.
»Das ist doch dein Freund, oder?«
»Na ja, nicht wirklich.«
»Crystal, ich weiß, dass du hier bist«, brüllte Xav.
Die Signora warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Warum machst du jetzt nicht Mittagspause? Klingt so, als ob er irgendwas auf dem Herzen hätte.«
»Aber wir haben doch so viel zu tun.« Bitte, lass uns viel zu tun haben.
»Crystal.« Die Signora blickte mich mit enttäuschter Miene an. »Wenn er dir eine Szene machen will, wär’s mir lieber, wenn das nicht in meinem Laden geschieht. Ich muss ans Geschäft denken.«
Seufzend stand ich auf. Diese Bitte konnte ich ihr nicht abschlagen. Womöglich wäre die Signora sehr bald
Weitere Kostenlose Bücher