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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joss Stirling
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auf, eine dunkle Silhouette gegen den Himmel, die Zinnen kratzten an den Sternen, als wären sie neidisch auf ihre Unabhängkeit von einer erdgebundenen Existenz. Ich war aus meinem Alltagsleben in ein Märchen hineingestolpert: In dieser Umgebung wirkte die Vorstellung, dass wir vernünftig über die Freilassung der Mädchen sprechen könnten, fast albern – so als würde man versuchen, einen Werwolf davon abzubringen, über einen herzufallen.
    Der Motor verstummte. Ich schwang mich vom Sitz herunter und der Fahrer brauste wortlos wieder davon, lenkte das Schneemobil um das Gebäude herum, wo sich vermutlich der Fuhrpark der Contessa befand. Ich stand an einem großen Wendekreis, aber nirgends war ein Auto zu sehen. Einen Augenblick später erschien Saul mit seinem Chauffeur, merklich erleichtert,als er mich sah. Er stieg ab und eilte zu mir, fasste mich am Arm, bevor jemand zwischen uns kommen konnte.
    »Und was jetzt?«, fragte ich.
    Es gab keinen erkennbaren Eingang zum Kastell. Ein langer Torbogen durchbrach das Mauerwerk, aber keiner von uns wollte hineingehen – mit dem Fallgatter darin sah es aus wie ein geöffnetes Drachenmaul.
    Dann tauchte ein Mann in dem Durchlass auf, in der Hand eine Taschenlampe.
    »Ich vermute mal, hier kommt die Antwort auf deine Frage«, seufzte Saul. Er umschloss fest meine Hand und ging voran.
    »Den kenne ich – das ist der Butler aus dem Haus der Contessa in Venedig.«
    »Wenn die Herrschaften mir bitte folgen wollen«, sagte der Butler.
    »Das ist kein Höflichkeitsbesuch«, erwiderte Saul knapp. »Ich denke, Sie wissen, warum wir hier sind, und Sie sollten in Erwägung ziehen, dass auch Ihnen strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn Sie unsere Frauen gegen ihren Willen hier festhalten.«
    »Sehr wohl, Sir. Hier entlang.«
    Oh ja, er war gut, dieser Butler. Er hatte bestimmt stundenlang alte Filme angeschaut, um diesen unterwürfigen und doch überheblichen Ton draufzukriegen.
    Unsere Schritte hallten in dem Durchlass wider. Er führte uns in einen Innenhof und dann auf die andere Seite, wo eine Tür offen stand. Ich hörte von drinnen Gelächter und Stimmen.
    »Sieht aus, als hätte die Contessa Besuch. Was bedeutet das für uns?«, fragte ich.
    »Mögliche Zeugen. Wenn jemand dabei ist, der nicht auf ihrer Gehaltsliste steht, könnte das zu unserem Vorteil sein.« Saul blieb an der Türschwelle stehen. »Okay, Crystal, ich werde es mal mit Telepathie probieren. Ich weiß, dass dir davon übel wird, also, ähm, tut mir leid.«
    »Das macht nichts.« Ich rückte ein Stück von ihm ab und errichtete meine Abschirmung. »Ich werde ein Störfeld für den Butler aufbauen.« Ich trat über die Schwelle und kam in eine holzgetäfelte Halle, die mit Jagdtrophäen und Schwertern dekoriert war – wie unoriginell. »Hey James, wo kann ich meine Jacke hinhängen?«, rief ich respektlos. Interessehalber versuchte ich, in den Geist des Butlers einzudringen. Ich wollte sehen, ob ich spüren konnte, zu welchen Dingen er in Beziehung stand – und war zutiefst schockiert. In seinem Hirn schwirrte es, aber nicht in willkürlichen Bahnen, wie bei den meisten Menschen; es war, als stiege man in ein Karussell ein, alles rotierte in einem ordentlichen Kreis: seine Pflichten, seine Loyalität gegenüber der Contessa und die Bande zu seiner Familie. Es war … wie soll man sagen … beinahe robotermäßig akkurat. Ich kappte rasch die Verbindung; er sollte den Übergriff auf keinen Fall bemerken.
    »Madam, Sie können Ihre Jacke hierlassen«, sagte der Butler und hielt mir eine Hand entgegen. Ich zuckte mit den Schultern und reichte ihm meine Jacke. Seine Miene zeigte keinerlei Regung – kein Lächeln, kein Schimmer von Leben.
    Saul kam herein. Ich hob eine Augenbraue, aber er schüttelte nur den Kopf. Okay, keine normale Telepathie möglich. Ich tippte mir an die Brust, um zu fragen, ob er wollte, dass ich es probierte. Er schüttelte erneut den Kopf.
    »Das heben wir uns lieber noch auf«, sagte er mit leiser Stimme, »für später, falls nötig.«
    »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Sir?«, fragte der Butler.
    »Ja, warum eigentlich nicht?«, antwortete Saul und gab ihm seinen Mantel. Als mir der Butler den Rücken zudrehte, tippte ich mir an die Schläfe, deutete auf ihn und verzog das Gesicht.
    »Hm. Interessant. Eliminiererin?«, fragte Saul leise.
    »Gut möglich. Das ist total unnatürlich. Anscheinend kann sie den Geist so anordnen, wie es ihr in den Kram passt.«
    »Das würde

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