Calling Crystal
wie nichts mehr übrig in ihren hübschen Köpfen. Sie leiden nicht, sie sind lediglich …« Mit einer flatternden Bewegung ihrer knorrigen Hand suchte sie nach dem treffenden Wort: »… leer.«
Ich weigerte mich, das einfach hinzunehmen, aber als Erstes mussten wir die Seelenspiegel von hier fortschaffen. »Dann ist Ihr Rachezug damit ja wohl beendet. Können wir sie mit nach Hause nehmen?«
Sie legte den Kopf leicht schräg, so als hätte sie Probleme mit dem Hören. »Du vergisst meinen Sohn. Ich möchte, dass man ihn mir bringt – dann könnt ihr sie alle zurückhaben.«
»Und wenn wir das tun, werden Sie ihre Hirne dann wiederherstellen?«, fragte ich.
»Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich das könnte. Nein, ich fand es nur fair, den Benedicts dauerhaft etwas wegzunehmen, denn sie haben meine Familie entehrt. Es ist einfach ein zu großer öffentlicher Schaden entstanden.«
Saul hielt Karla eine Hand hin. »Wenn das so ist, gehen wir, Karla. Die Jungs warten draußen am Tor auf dich.«
»Jungs?« Karla zitterte und wich vor der ausgestreckten Hand zurück.
»Deine Söhne. Unsere Söhne. Sie warten auf Sky, Phoenix – und auf dich. Wir gehen jetzt. Yves und Zed brauchen dich.«
»Was für merkwürdige Namen.« Phoenix kam lächelnd auf ihn zu. »Sie sind komisch. Warum weinen Sie?« Sie wischte ihm die Tränen von den Wangen und hielt ihm ein Taschentuch hin. »Keine Sorge, Mr … ähm. ’tschuldigung, wie war gleich noch Ihr Name? Egal, uns geht es sehr gut. Sie brauchen nicht zu weinen.«
Die Contessa blickte lächelnd auf ihre Gäste. »Möchte irgendjemand von euch mit Mr Benedict und diesem Mädchen hier mitgehen?«
Die vier schauten uns an, als wären wir irgendwelche Ausstellungsstücke im Museum, die sie nur mittelmäßig interessant fanden.
»Warum sollten wir das tun wollen?«, fragte Diamond.
Der Butler erschien in der Tür, flankiert von zwei Bodyguards, fast so, als hätte er gehört, wie Saul insgeheimseine Chancen abwog, mit Karla über der Schulter Reißaus zu nehmen.
Die Contessa machte eine wedelnde Handbewegung in Richtung Ausgang. »Haben Sie vielen Dank für Ihren Besuch. Sie werden mich sicherlich kontaktieren, wegen meines Sohnes, meine ich?«
Saul gab keine Antwort. Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte geradewegs hinaus, pflügte eine Schneise zwischen die drei Männer an der Tür. »Komm, Crystal, hier bleiben wir keine Minute länger. Fahren Sie zur Hölle, Contessa«, stieß Saul hasserfüllt hervor.
Für einen sanftmütigen Mann wie ihn, waren das erstaunlich kraftvolle Worte. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.
Kapitel 12
Die Fahrt zu unserem Quartier im Badeort Malcesine verbrachten wir schweigend. Saul hatte seinen Söhnen die niederschmetternde Nachricht in knappen Sätzen übermittelt und ihnen eingeschärft, ja nichts zu unternehmen, da uns die Contessa zweifelsohne voller Genugtuung beobachtete.
Daraufhin explodierte prompt die Überwachungskamera. Ich glaubte erst, dass Zed das getan hätte, dann aber sah ich Yves’ grimmiges Grinsen. Wir hatten beschlossen, abzufahren und weitere Pläne außer Sichtund Hörweite zu schmieden.
Ich hatte ganz vergessen, wie schön der Gardasee war: Wasser von einem tiefen Schieferblau, metallisch graue Berghänge, die sich von der Küste erhoben, kleine Städte, die sich, umgeben von Zypressen, ans Ufer schmiegten. Ich war letzten Sommer einmal hier gewesen; jetzt kräuselte ein eisiger Wind das Wasser und die Luft war kristallklar.
»Was tun wir als Erstes? Polizei?«, fragte ich, als wirdraußen vor unserer Villa geparkt hatten, ein blassgelbes zweigeschossiges Haus mit einer Dachterrasse. Wein rankte sich um den Erker, Blätter klammerten sich dem frischen Wind trotzend am Fruchtholz fest.
Saul blies sich in die kalten Finger. »Alles Behördliche dauert doch immer länger, als man es für möglich hält. Ich bin nicht geneigt, diesen Weg einzuschlagen.« Diese förmliche Ausdrucksweise klang aus seinem Mund eindeutig wie eine Drohung. Nein, er war geneigt , Blut fließen zu lassen.
Victor starrte den Berghang hinauf, wo wir gerade noch die schwarze Silhouette des kleinen Kastells auf dem Fels ausmachen konnten. Aus der Entfernung sah es so harmlos aus. »Wir brauchen … ich weiß nicht … einen Hubschrauber oder irgendwas, um dort eindringen zu können. Ich habe so etwas noch nie gemacht. Vielleicht können wir das Tor aufsprengen und mit den Autos reinfahren, allerdings wäre es
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