Calling Crystal
Ordnung, Crystal?«
»Natürlich ist das nicht für sie in Ordnung.« Xav war auf dem besten Weg, sich in Rage zu reden. Diese Wendung hatte er nicht erahnt und er konnte es nicht einfach so hinnehmen, dass ich mich ohne ihn in Gefahr begeben würde. »Du erwartest von mir, dass ich sie einfach in die Höhle des Löwen marschieren lasse?«
»Xav!«, warnte ich mit leiser Stimme.
»Was?« Er sah mich mit wuterfülltem Blick an.
»Ich bin für sie nicht von Interesse, weil ich kein Seelenspiegel bin, weißt du noch?«
Er war stinksauer, denn meine Sicherheit stand für ihn an erster Stelle. Als er langsam von mir zurückwich, gab er sich alle Mühe, nicht so auszusehen, als wollte er uns alle jeden Moment erwürgen. »Ich möchte jetzt am liebsten irgendwas kaputt treten!«
Das Brummen zweier Schneemobile war zu hören, noch ehe wir die Fahrzeuge auf uns zugleiten sahen.
»Bleibt in den Autos«, befahl Saul. »Ich halte zu euch Kontakt, soweit das möglich ist. Würde mich allerdingsnicht wundern, wenn sie sich irgendeiner Art von Telepathie-Dämpfer bedient.«
»Vielleicht kann ich ja mit meiner Art von Telepathie da durchdringen? Xav behauptet doch immer, die wäre so einzigartig.« Ich starrte besorgt auf Xavs Rücken; er zerstampfte gerade eine festgefrorene Fahrrinne.
Dann drehte er sich zu mir um. »Nicht, wenn du dich damit verrätst.«
»Natürlich nicht. Ich bin vorsichtig.«
»Da reinzugehen nenne ich nicht gerade vorsichtig!«
»Xav!« Saul verlor allmählich die Beherrschung, etwas, was nicht oft geschah.
»Was?«, blaffte Xav.
»Sieh mich an, Xav.« Mein Seelenspiegel hob den Kopf und begegnete dem festen Blick seines Vaters. »Ich werde auf sie aufpassen und dafür Sorge tragen, dass ihr kein Haar gekrümmt wird – oder deiner Mutter oder Diamond, Phoenix oder Sky. Das schwöre ich bei meinem Leben.«
»Das kannst du nicht versprechen«, sagte Xav leise.
»Eines kann ich aber sagen: Falls irgendwas schiefgehen sollte, hast du, Yves, meine Erlaubnis, dieses Tor hier in die Luft zu sprengen, damit ihr alle zu unserer Rettung eilen könnt. Aber für den Moment wollen wir erst mal versuchen, unsere Seelenspiegel mit Überzeugungskraft zu befreien. Das ist der sicherste Weg.«
Zed fluchte, während Yves verhalten nickte. Trace umarmte mich fest.
»Pass auf dich auf, kleine Schwester«, murmelte er.»Diamond würde nicht gefallen, dass ich dich das tun lasse.«
Die zwei Schneemobile glitten in unser Sichtfeld und kamen mit einer halben Drehung in Blickrichtung Haus zum Stehen. Die Fahrer stiegen nicht ab und sagten kein Wort; ihre Gesichter hinter den Visieren der Helme verborgen. Sie hätten genauso gut Außerirdische sein können. Mit einem leisen Summen öffnete sich einer der Torflügel einen Spalt, gerade weit genug, dass man hintereinander hindurchschlüpfen konnte. Die Contessa wollte kein Risiko eingehen – keine große Überraschung, da sie bestimmt wusste, dass die Benedicts mit einer geballten Ladung von Fähigkeiten aufwarten konnten. Vor allem Victor war ihr mit Sicherheit nicht sonderlich willkommen.
»Okay, Leute, wir sehen uns gleich wieder«, sagte ich mit gezwungener Fröhlichkeit. Ich zwängte mich hinter Saul durch den Spalt. Sobald ich hindurch war, schloss sich das Tor wieder. Xav versuchte, mich nicht anzusehen, warf mir aber kurz einen gequälten Blick zu.
Saul taxierte die beiden Männer auf den Schneemobilen. »Du gehst mit dem da mit, Crystal.« Er schob mich auf den kräftigeren der beiden Fahrer zu.
Ich war überrascht. Ich hätte gedacht, er würde mich zu dem anderen schicken.
»Normalerweise geht von Hirnschmalz mehr Gefahr aus als von Muskelkraft«, flüsterte er und half mir auf den Sitz hinter dem schweigsamen Schneemobilpiloten. »Von dem, was ich so erspüre, ist dein Fahrer eher harmlos.«
Zögerlich hielt ich mich an der Taille des Fahrers fest. Er wartete nicht, bis Saul auf das andere Schneemobil gestiegen war, sondern düste in einem Affenzahn los zum Kastell.
Das Schneemobil machte zu viel Krach, als dass ich Fragen hätte stellen können, und so versuchte ich, mir den Weg einzuprägen, für den Fall, dass ich ihn allein zurückfinden müsste. Die Strecke war mit Pfosten markiert, rechts und links von uns erstreckten sich Nadelwälder. Hinter der nächsten Biegung gelangten wir zu den Gärten, verborgen unter ihrem winterlichen Mantel, dennoch konnte ich eine große Terrasse, Hecken und Statuen ausmachen.
Und über allem ragte das Kastell
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