Callista 01 - Palpatines Auge
herab.
»Wenn ich es nicht hiermit versuche, ergibt sich vielleicht keine zweite Gelegenheit.« Rasch checkte er die Energiezelle der an seinen Stab befestigten Leuchtstreifen; dann schlang er sich die Drahtschlinge, die er mit Isolierband ans obere Ende der Stange geklebt hatte, über die Schulter. Vorsichtig balancierte er, die Hände an die Seiten der Schachtöffnung geklammert, auf dem unversehrten Bein. »Es wird schon gutgehen«, äußerte er nochmals.
Natürlich wußte er, daß 3PO das Gegenteil glaubte.
Er schob den Kopf in die Öffnung, streckte die Arme nach den Sprossen aus und hüpfte auf die Leiter. Schon diese unbedeutende Handlung verursachte in seinem Bein einen stechend-heißen Schmerz. Trotz aller Heilkraft, aller Genesungsförderung durch die Macht, die er anwenden konnte, verschlug es ihm den Atem. Er schaute in die scheinbar bodenlose Tiefe des Schachts hinunter. Ich muß, dachte er, mit meinen Kräften haushalten.
»Seien Sie auf der Hut, Master Luke…!« Die Stimme des Droiden tönte durch die Dunkelheit zu ihm herauf.
Im konfusen Wabern der trüben Helligkeit, die auf Lukes Rücken die Leuchtstreifen spendeten, war der Jawa noch knapp erkennbar; seine dunkle Gestalt, die vorausklomm, ähnelte einem dick bekleideten Insekt. Er befand sich schon weit über Lukes Kopf und kletterte flink immer höher.
Lukes Schulter streifte Kabelbündel und Leitungen, während er sich abmühte, um an den Jawa Anschluß zu halten. Speiseröhren ähnliche, schwarzglänzende Schläuche und dünnere Stränge mit Gummi isolierter Glasfaser-Koaxialkabel umgaben Luke dicht an allen Seiten. Tatsächlich hatte er das Empfinden, den Verdauungskanal irgendeines Riesentiers emporzusteigen. Ab und zu verharrte der Jawa, fummelte auf eine Weise an den Kabeln, die Luke außerordentlich nervös machte. Wer konnte wissen, welche Systeme von welchen Kabeln abhingen?
Da und dort glommen an geschlossenen Luken schwache orangene Arbeitsleuchten. Sie waren von innen abgeriegelt worden, beobachtete Luke, und ausgestattet mit den dunklen Kästchen von Magnetsiegeln. Sonst blieb er in der Finsternis des Schachts auf die Leuchtstreifen an seinem Stab angewiesen.
Der Schacht roch nach Staub, Schmierölen und Isolation, inzwischen jedoch am merklichsten nach Jawas. Dagegen fehlte völlig das leicht muffige Odeur, wie es charakteristisch war für ungezählte Male durch die Nasen und Lungen einer lebenden Crew recycelten Luft. Obwohl sich mittlerweile ein bizarres Gemisch diverser Völkerschaften im Raumschiff aufhielt, würde es noch lange dauern, bis die Bordatmosphäre diese Duftnote annahm.
Viel länger, als sie an Bord blieben.
Viel länger, als dieser irrsinnige Flug währen sollte.
Was hat den Start veranlaßt?
3PO hatte seinen elaboriert gegliederten Metallfinger auf den entscheidenden Punkt des ganzen Problems gelegt; den wurmenden Ursprung der Angstträume, die Luke heimsuchten.
Palpatines Auge war im geheimen für einen geheimen Zweck konstruiert worden; für einen Spezialauftrag, der dann an Sabotage scheiterte. Dreißig Jahre lang hatte das Raumschiff inaktiv fernab im Mondblumen-Nebel hinter der allumfassenden Abschirmung durch den Asteroidenschwarm gewartet; auf den Einsatzbefehl gewartet, während die Neue Ordnung, die den Spezialauftrag geplant, die Bordgeschütze des Schiffs schußfertig gemacht, die strenge Kontrolle des sogenannten Willens programmiert hatte, den Höhepunkt ihrer Macht überschritt und schließlich unter der Last der eigenen Herzlosigkeit, des Größenwahns und der Habgier zerbrach.
Die auf einem Halbdutzend entlegener Welten der Randregion bereitgestellten Sturmtruppler waren gealtert und gestorben.
Palpatine selbst hatte von der Hand seines finstersten Schülers den Tod gefunden.
Wieso also war der Wille erwacht?
Es schauderte Luke. Er fragte sich, ob nur die Sorge um die Sicherheit der Freunde auf Belsavis – Han, Leia und Chewie – einen Schatten auf sein Herz warf, oder der Schatten etwas gänzlich anderes sein könnte; eine eigene, besondere Wesenheit, deren Kräfte er sich durch die dunkleren Gestade der Macht bewegen gespürt hatte, wie ein Dianoga unter Wasser schwamm.
Der Schacht endete an einem Metallgitter mit dicken Stäben, zur Warnung mit einem Streifenmuster in Schwarz und knalligem Gelb gestrichen. Für den Fall, daß jemand die Abschreckung nicht kapierte, war daran zusätzlich ein Schild montiert: TRENNGITTER. ZUGANG VERBOTEN. GEFAHR.
Hinter den Gitterstäben
Weitere Kostenlose Bücher