Callista 03 - Planet des Zwielichts
Synthdroiden ihn beobachteten, war ihm bewußt. Ihre zentrale Steuereinheit, wo auch immer sie sich befand, enthielt ohne Zweifel die Gesichter jedes einzelnen Rationalisten auf dem Planeten. Aber niemand hielt ihn auf. Er trat, vor Wut und Zorn heftig atmend, durch eine Glastür ins Freie und ging zwischen dichten Blaublattsträuchern und Büschen mit aromatisch duftenden Blüten zur Straße. Seit es ganz dunkel geworden war, hatte der Wind sich etwas gelegt und war jetzt nur noch als dumpfes Hämmern wahrzunehmen. Die Stimmen aus dem Speisesaal hallten immer noch in seinen Ohren, und er konnte noch immer einige besonders laute Verwünschungen hören, die seiner Schwester galten.
Außerhalb der Siedlung glitzerten die Tsils wie Eisspieße im kalten Sternenlicht der Wüste; auf dem Boden funkelte Frost, und die Kälte war wie Eisen. Er hielt die Macht um sich gespannt und atmete ruhig. Er wartete.
Dort draußen in der Wüste, nicht weit entfernt, waren Leute. Sie trugen zwar keine Lichter, aber er nahm sie dennoch undeutlich wahr: Wirbel, Strömungen in der Macht. Theraner?
Wahrscheinlich. Sie beobachteten Seti Ashgads Haus.
Laß deinem Zorn freien Lauf, hatte sein Vater gesagt. Laß deinem Zorn freien Lauf.
Damals hatte er das als Lockmittel gemeint. Nutze deinen Zorn im Kampf! Ein Narrentrick.
Aber jetzt ließ Luke seinem Zorn wirklich freien Lauf, ließ ihn einfach fließen, ließ ihn aufsteigen wie Dampf, damit die Sterne ihn absorbieren und entschärfen konnten. In dieser Nacht lag viel zuviel Zorn in der Luft, wurde bewußt angestachelt, genährt wie ein magisches Energiepack. Aber Luke befreite sich jetzt von seinem Zorn und konnte wieder klar denken und Fragen stellen. Und die wichtigste Frage lautete: Welchen Nutzen zieht Seti Ashgad aus alledem?
11. Kapitel
Der Hafen von Bagsho auf Nim Drovis wimmelte von Truppen. Es regnete in Strömen.
Han hatte das Medizentrum vom Orbit aus bereits alarmiert und mitgeteilt, daß er fünfzehn kritische Fälle von Strahlungskrankheit an Bord hatte. Ism Oolos, der Ho’Din-Arzt, mit dem er über Subraum gesprochen hatte, erwartete ihn mit einem Einsatzteam in der Andockbucht. Er war von einer Gruppe uniformierter Drovianer umgeben, die Han in dem Augenblick, als er über die Rampe des Falken herunterkam, an den Armen packten, gegen die nächste Wand drückten und nicht sonderlich rücksichtsvoll durchsuchten.
»Ist das wirklich notwendig?« fragte Dr. Oolos verstimmt. Han äußerte sich dem Führer der drovianischen Truppe gegenüber in ähnlicher Weise, allerdings mit wesentlich mehr Nachdruck.
»Doktor, wenn Sie die Waffen gesehen hätten, die für die Gopso’o-Stämme hereingekommen sind, würden Sie das nicht fragen.« Der drovianische Sergeant löste seinen Luftröhrenstecker heraus, um diese Bemerkung machen zu können, und setzte ihn anschließend mit einem quietschenden Geräusch wieder ein. Seit mit der Errichtung von Militärstützpunkten der Alten Republik die technische Zivilisation auf Nim Drovis Einzug gehalten hatte, waren die meisten Drovianer – die beim ersten Kontakt noch eine idyllische Hirtenkultur mit einem Netz von Nomadenstämmen waren – dazu übergegangen. Zwil zu saugen, einen süchtigmachenden Farbstoff, der aus einem Gewürz der algarinischen Küche gewonnen wurde. Sie inhalierten den Stoff, indem sie ihn durch etwa faustgroße schwammige »Stecker« einsogen, die sie an den Schleimhäuten ihrer Atemorgane anbrachten. Vier Fünftel der Soldaten trugen Stecker unterschiedlicher Größe, und ein üppiger Zimt- und Vanillegeruch erfüllte die Luft, soweit er nicht von den scharfen Ausdünstungen aus allen Bereichen der Galaxis eingeschleuster Schimmelpilze überlagert wurde, in die sich der ölige Gestank brennender Feuer mischte.
»Sie müssen entschuldigen.« Dr. Oolos zog seinen mit bunten Tentakeln bewachsenen Kopf ein Stück ein, als er Han, dem Sergeant, zwei Soldaten und dem Mediteam die Rampe hinauf folgte. »Die Gopso’o, die Erzfeinde der Drovianer, sind seit Monaten unruhig…« Er senkte die ohnehin leise Stimme, und seine beeindruckende, drei Meter hohe Gestalt beugte sich herunter, damit der Sergeant nicht hörte, was er sagte. »Dabei gibt es nicht den geringsten Unterschied zwischen den verfeindeten Parteien, nur daß sie buchstäblich seit Jahrhunderten in Blutfehde miteinander leben. Soviel ich weiß, ist der Streit ursprünglich darüber ausgebrochen, ob die Wurzel des Wortes Wahrheit ein Singular oder Plural
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