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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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ob das eine gute oder eine schlechte Neuigkeit war, sonst nichts. Aber einmischen wollte ich mich nicht.
    »Frag dich lieber nichts, Calpurnia. Ich finde es immer gefährlich, wenn du anfängst, dich etwas zu fragen.« Sie ging weiter die Treppe hoch. »Sei so lieb und misch dich nicht ein.«
    Wieder einmal schien sie meine Gedanken lesen zu können. Es war wirklich gruselig. Und überhaupt: Gefährlich? Ich? Immerhin hatte ich jetzt eine Antwort – dass Harry Fern nach Hause begleitete, war eine gute Neuigkeit. Aber wenn Mutter es gut fand, dass Harry Fern den Hof machte, wie passte das zu den Plänen, die sie für ihn hatte? Er sollte doch die Universität besuchen? Mir war das alles ein Rätsel.
     
    Wenige Tage später war Harry im Haus der Spittys in der San Marcos Road zum Abendessen eingeladen. Er kam erst nach Hause, als wir alle längst schliefen. Mir fiel auf, dass niemand ihm beim Frühstück am nächsten Morgen Fragen stellte. Ein, zwei Mal machte ich schon den Mund auf, überlegte es mir dann aber doch. Am Sonntag darauf kam Fern mit ihren Eltern zum Tee zu uns. Da unsere Familien sich schon seit Jahren kannten, war eine so zwanglose Einladung möglich. Trotzdem fragte ich mich, wieso sie zum Tee kamen und nicht zum Abendessen. Hatte das irgendetwas damit zu tun, dass wir Kinder von dieser vornehmen nachmittäglichen Bewirtung ausgeschlossen waren? Oder dass Großpapa sich niemals zum Tee hätte bitten lassen, nicht einmal mit vorgehaltener Waffe?
    Bevor wir Kinder alle hinausbeordert wurden, um zu spielen (im Klartext: um zu verschwinden), bekam ich Fern noch kurz zu sehen. Sie trug ein Kleid aus rosaroter Seide. Ihr Hut war eine bezaubernde Kreation aus Federn und hauchfeiner, in der Farbe ihres Kleides eingefärbter Seide. Sie gab ein sehr anziehendes Bild ab, ganz anders als diese abscheuliche Minerva Goodacre.
    Mein Weg führte durch die Küche, wo Viola sich mit angehaltenem Atem über einen kunstvollen Kuchen beugte und die letzten Nonpareilles anbrachte, diese winzigen runden Zuckerstreusel, die so aufregend zwischen den Zähnen knirschten. SanJuanna arrangierte kandierte Blüten zwischen hauchfeinen Sandwiches ohne Kruste auf einem großen Silbertablett. Keine von beiden sah auf, als ich hereinkam. Die Atmosphäre war gespannt. Beide Frauen trugen ihre guten dunklen Kleider und darüber gestärkte, makellos weiße Schürzen mit Rüschen, die an den Schultern wie kleine Flügel abstanden. Ich ging hinaus und ins Laboratorium. Warum sollte ich meine Zeit mit Spielen vergeuden, wie man es mir aufgetragen hatte, wenn ich die kostbare Zeit doch auch mit Großpapa verbringen konnte? Er fand mich wenigstens nicht gefährlich, wenn ich Fragen stellte. Im Gegenteil, er ermunterte mich sogar dazu.
    »Guten Tag, Calpurnia«, begrüßte er mich. »Ich dachte, du müsstest heute zum Nachmittagstee.«
    »Mutter hat uns alle rausgeschickt, solange die Spittys da sind. Vermutlich macht sie sich Sorgen, ich könnte sie abschrecken.«
    »Das mag schon sein«, sagte Großpapa, »allerdings verstehe ich nicht, wieso Margaret dich abschreckend finden sollte.«
    »Danke, Großpapa. Ich verstehe es auch nicht.«
    »Gut, dann sind wir ja einer Meinung. Sei so lieb und stell mir den Messbecher hin für einen neuen Versuch.«
    So beschäftigten wir uns in dem schäbigen Laboratorium, während im Salon der Paarungstanz vonstatten ging.
    »Es ist doch komisch«, sagte ich, »dass Mädchen hübsch sein müssen. In der Natur ist es umgekehrt, da sind es die Männchen. Denk doch nur an den Kardinalvogel. Oder an den Pfau. Wieso ist das bei uns anders?«
    »Weil in der Natur allgemein das Weibchen den Partner wählt«, antwortete Großpapa, »deshalb muss das Männchen sein allerschönstes Gefieder anlegen, um das Weibchen anzulocken. Dein Bruder hingegen darf sich unter den jungen Damen eine aussuchen, also müssen sie ihr Bestes tun, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.«
    »So viel Mühe!«, sagte ich. »All die Kleider, die Hüte. Die Frisuren. Als Mutter mich frisiert hat für das Klaviervorspiel – du liebe Güte, das hat ewig gedauert. Und dann noch die Korsette! Mrs. Parsons fällt im Sommer dauernd in Ohnmacht, und daran ist bloß ihr Korsett schuld. Ich weiß nicht, wie die Frauen das aushalten.«
    »Ich auch nicht. Es ist eine törichte Idee. Deine Großmutter war für solchen Unsinn nicht zu haben.«
    »Großpapa.«
    »Hm-m?«
    »Erzähl mir von ihr. Von Großmutter, meine ich.«
    »Was möchtest du denn von ihr

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