Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
Vom Netzwerk:
wissen?«
    »Alles. Ich habe nie irgendwelche Geschichten über sie gehört. Sie ist ja schon vor meiner Geburt gestorben.«
    »Tatsächlich? Ja, das muss wohl so gewesen sein. Sie war eine Frau, die in ihren späten Jahren hart geworden ist.«
    »Hat sie sich für Naturwissenschaften interessiert?«
    »Nicht sonderlich. Du darfst nicht vergessen, wir hatten damals genug damit zu tun, uns von den Folgen des Kriegs zu erholen. Die Wirtschaft lag am Boden. Ich versuchte, ein Geschäft aufzubauen, und hatte keine Zeit dafür, mich mit der Natur oder sonstigen Dingen zu beschäftigen. Reich mir doch bitte das andere Becherglas, ja? Deine Großmutter war außerordentlich geschickt in jeder Art von Handarbeiten. Und in der wenigen freien Zeit, die ihr blieb, hat sie gern Romane gelesen.«
    »Auf der Ausstellung hab ich einen Preis bekommen fürs Klöppeln«, sagte ich und zog eine Grimasse.
    »Ach ja? Ich wusste gar nicht, dass du dich für diese Dinge interessierst.«
    »Tu ich auch nicht. Ich hasse sie, und ich bin auch nicht gut darin. Mutter habe ich auch nicht erzählt, dass ich bei nur drei eingereichten Arbeiten den dritten Preis gewonnen habe.«
    »Mach dir nichts daraus. Meine starke Seite war Klöppeln auch nie.«
    Vermutlich sollte das ein Witz sein, aber genau konnte man das bei Großpapa nie wissen.
    Wir arbeiteten friedlich Seite an Seite, bis Viola ihre Glocke läutete. Ich war dankbar für diese Stunden. Ich hatte Großpapa vermisst.

 
     
     
    Fünfundzwanzigstes Kapitel
     
    WEIHNACHTSABEND
     
    Ich wollte fast ebenso gern mit den alten und unwissenden Kosmogonauten annehmen, dass die fossilen Muscheln nie einem lebenden Tier angehört, sondern im Gestein erschaffen worden sind, um die jetzigen Schaltiere an der Seeküste nachzuahmen.
     
     
    Ich war so dankbar für die seltenen Stunden mit Großpapa. Weihnachten rückte näher, und die ohnehin schon kümmerliche Zeit, die wir miteinander verbringen konnten, wurde noch knapper. Ich arbeitete in der Küche Seite an Seite mit Viola, was ihr vermutlich noch mehr als sonst auf die Nerven ging, da sie gleichzeitig kochen und mir etwas beibringen musste.
    J. B. löcherte mich: »Wie lang noch bis Weihnachten, Callie?«
    »Schau mal, J. B.« Ich hielt eine Hand hoch. »Siehst du meine Finger?«
    »Ja.«
    »Also, dieser Finger ist für heute, der hier für morgen und der hier für den Tag danach – und an dem Tag ist schon Weihnachten. Klar?«
    »Ja.«
    »Jetzt hast du’s verstanden?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    »Aber, Callie – wie lange noch bis Weihnachten?«
    Frage fürs Notizbuch: Wann bekommen kleine Kinder ein Gefühl für Zeit? Das Fünf-Uhr-Opossum in meiner Wand hat ein Zeitgefühl, warum dann nicht J. B.? Er treibt mich noch zum Wahnsinn.
    Ich betrachtete diesen letzten Satz. Großpapa hatte mich gelehrt, dass ein wissenschaftliches Journal eine Zitadelle der Faktentreue sei und Meinungen nichts darin zu suchen hatten. Also radierte ich meinen Kommentar wieder aus – zum Glück hatte ich nur mit Bleistift geschrieben.
    Vater und Alberto kamen mit einer verkümmerten Kiefer zur Tür herein, die sie im Eichenwäldchen entdeckt hatten (immergrüne Bäume gediehen nicht gut in unserem Teil der Welt). J. B. geriet sofort außer sich vor Begeisterung. »Guck doch, Callie, guck doch bloß! Unser Weihnachtsbaum! Dann muss doch jetzt Weihnachten sein!«
    Wir verbrachten den ganzen Nachmittag damit, Christbaumschmuck aus farbigem Papier herzustellen und winzige Kerzen in winzigen Haltern an die Zweige zu klemmen. Harry schnitt einen Stern aus schimmerndem silbernem Karton und befestigte ihn oben an der Spitze. Dafür brauchte er nicht einmal eine Leiter, so mickrig war unser Baum. Abschließend verteilten wir an den Zweigen Wattebällchen, die nach Schnee aussehen sollten, etwas, wovon wir alle gehört, was wir aber nie gesehen hatten.
    Die Welt des methodistischen Fentress teilte sich in zwei Lager – die Familien, die ihre Geschenke an Heiligabend öffneten, und diejenigen, die bis zum Weihnachtstag damit warteten. Glücklicherweise gehörten wir zu denen, die an Heiligabend feierten. Unser Pfarrer, Mr. Cornelius Barker, nannte Geschenke ein heidnisches Vergnügen und sinnlose Geldverschwendung. Gut und schön, aber das sollte er mal sieben Kindern erklären! Meine Mutter hatte jedenfalls keinen Erfolg damit, genauso wenig wie der Pfarrer, zu dessen Ehre man allerdings sagen muss, dass er sich auch keine besonders große Mühe gab. Er kam einmal im Monat zu

Weitere Kostenlose Bücher