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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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du ja keinem auf die Nase binden. Und jetzt pass auf, dass du nichts zerschlägst.«
    Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ich schaute bewundernd auf das durchscheinende Porzellan mit dem eleganten rosa-goldenen Rosenmuster und musste zugeben, dass einige Zeichen der Zivilisation doch nicht so schlecht waren. Ich nippte an meinem Tee und kehrte aufs Meer zurück, zu meiner Nachmittagsgesellschaft aus Piraten und Papageien.

 
     
     
    Vierundzwanzigstes Kapitel
     
    HARRY AUF
    BRAUTSCHAU –
    WIEDER EINMAL
     
    Der schwache Mensch kann in kurzer Zeit schon so viel durch seine künstliche Auslese tun …
     
     
    Lebertran. Der grausige Anblick eines randvoll mit dem stinkenden Öl gefüllten Teelöffels stand mir schlagartig vor Augen, als ich Stunden später den Wagen mit Mutter und Vater und den drei jüngeren Brüdern vorfahren hörte. Falls Mutter glaubte, ich sei krank und deswegen in Ohnmacht gefallen, dann würde kein Weg daran vorbeiführen. Harry erzählte mir später, dass Fern und er wieder zur Ausstellung zurückgekehrt seien und meine Eltern getroffen hätten. Er hatte ihnen berichtet, was passiert war, und dabei immer wieder betont, wie verraucht das Zelt gewesen sei, weil er hoffte, mir so die schauerliche Medizin ersparen zu können. Offensichtlich hatte der Trick gewirkt, zusammen mit der Tatsache, dass ich sofort auf die Veranda gerannt bin und sie so munter und fröhlich wie möglich begrüßt habe. Ich hüpfte regelrecht herum, der Inbegriff eines vor Gesundheit strotzenden Mädchens, und natürlich trug ich meine Preisschleife.
    »Seht mal, was ich gewonnen habe! Ist das nicht aufregend?«, rief ich ihnen entgegen und zeigte strahlend auf meine Schleife. Es war durchaus nicht unter meiner Würde, so dreist hochzustapeln, wenn es mir auf die Weise vielleicht gelang, Mutter davon abzubringen, mich mit der widerlichsten Substanz der Welt abzufüllen.
    »Du meine Güte! Ein Preis!« Von allen Seiten schallten mir Ahs! und Ohs! entgegen. Mutter sah überrascht und erfreut zugleich aus. Kein Wort von Lebertran, allerdings fragte sie: »Fühlst du dich gut, Callie? Du siehst so erhitzt aus. Was meinst, du Alfred, sollten wir nach Dr. Walker schicken?«
    »Ich finde, sie sieht gut aus, aber wenn du beunruhigt bist, meine Liebe …«
    »Ich bin kein bisschen krank, Mutter«, rief ich, »ich bin bloß so aufgeregt, weil ich den Preis gewonnen habe, das ist alles.«
    »Wieso hast du eine weiße Schleife und Travis eine blaue?«, wollte Jim Bowie wissen.
    »Weil ich was ganz Besonderes bin, J. B.«
    »Wirklich, Callie? Boah!«
    »Nein, das war nur ein Jux. Eine blaue Schleife ist viel besser als eine weiße. Travis und Bunny haben den besten Preis gewonnen, den es gibt.« Noch während ich das sagte, überlegte ich, ob Mutter wohl von mir verlangen würde, mit der ganzen Wahrheit über meinen Kragen herauszurücken, doch sie schaute nur immer weiter mit leuchtenden Augen auf meine Schleife. Seltsam! Dann begriff ich, dass sie wirklich ahnungslos war. Vielleicht war ihr ja nichts aufgefallen, vielleicht hatte sie sich die Handarbeiten gar nicht angesehen oder Lula und Dovie hatten ihre Sachen schon wieder mitgenommen, bevor Mutter kam. Jedenfalls sah sie höchst zufrieden aus. Musste sie es wirklich erfahren? Und auch noch von mir?
    »Ähm – J. B.«, sagte ich laut. »Klöppeln war dieses Jahr nicht so stark vertreten.«
    »Hä?«
    Ich äugte kurz zu Mutter hinüber, die aber mit Travis plauderte.
    Ich redete noch ein bisschen lauter. »Die eingereichten Arbeiten. In der Kategorie Klöppeln. Die waren nicht so großartig.«
    »Wie …«
    »Jeder hätte da einen Preis gewinnen können, J. B., das ist alles.«
    »Wieso redest du denn so laut? Kann ich deine Schleife haben? Ich gewinne fast nie den Glühwürmchenorden. Ich will auch so eine Schleife.«
    Mutter schien mich nicht gehört zu haben. Mein ohnehin nicht gerade unbeugsamer Mut schwand dahin. Ich nahm meinen sogenannten Preis ab und steckte ihn J. B. ans Revers, der sofort losrannte, um sich im Spiegel der Flurgarderobe zu bestaunen. Mutter ging die Treppe hinauf, um ihren Hut abzulegen.
    »Mutter, wo ist Harry?«, rief ich.
    Sie blieb auf dem Treppenabsatz stehen, eine Hand am Geländer, mit der anderen griff sie nach ihrer Haarnadel. »Er begleitet Fern Spitty nach Hause, zu Fuß«, sagte sie. Ihre Miene war verschlossen.
    »Und …?«
    »Was meinst du damit – und ? Nichts und.«
    »Ich hab mich nur gefragt, ob …« Ich fragte mich,

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