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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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Dutzend Mal gesehen hatte, sagte ich wie im Traum mit schläfriger Stimme: »Hallo, ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Für diesen Satz bekam ich gleich noch einen halben Eimer Wasser ins Gesicht.
    Jetzt reichte es mir wirklich. Ich richtete mich auf, schüttelte mich wie ein nasser Hund, um das Wasser aus dem Gesicht zu bekommen, und blickte in die Runde. Großpapa fasste mein Handgelenk und fühlte meinen Puls. »Calpurnia«, sagte er, »wie ist der wissenschaftliche Name der Spinnen, die gemeinhin als Weberknechte bezeichnet werden?«
    »Opiliones«, sagte ich knapp.
    »Sehr gut«, antwortete er. »Ich glaube, es geht ihr schon wieder besser.«
    »Hört jetzt auf mit dem Wasser«, bat ich die Umstehenden.
    Neben Großpapa standen Travis und Sam Houston. Von einem Eimer war aber nichts zu sehen. Garantiert hielten sie ihn hinter dem Rücken versteckt. Mit großem Getue wurde ich wieder auf die Füße gestellt, man klopfte mir das Gras ab, brachte mir eine Limonade und setzte mich in eine Mietkutsche, um mich nach Hause zu schaffen. Es war nicht weit, doch niemand wollte mich laufen lassen. Mutter und Vater waren nirgends zu finden, also fuhr mich Harry, und Fern begleitete uns.
    Das Pferd trabte zügig dahin, und von der frischen Luft, die mir auf der Fahrt ins Gesicht wehte, fühlte ich mich sofort um Welten besser. Zunächst war es ja ganz nett gewesen, einmal so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, doch sobald ich wieder munter wurde, empfand ich sie auch als zudringlich.
    Viola kam zur Tür, und nach dem ersten Blick auf mich fragte sie Harry: »Großer Gott, was jetzt wieder, Mister Harry?«
    Ich fand diesen Ton wirklich unnötig, vor allem vor einem Gast.
    »Es ist nichts, Viola«, sagte ich würdevoll. »Ich bin ohnmächtig geworden, das ist alles. Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern.«
    »Es geht ihr wirklich schon wieder gut, Viola«, beruhigte Harry sie. »Das Zelt war heiß und voller Rauch. Wir sollten uns erst einmal setzen. Miss Spitty, wie wär’s mit einer Tasse Tee? Oder einer kalten Limonade?«
    Tee wäre ganz wunderbar, fand Miss Spitty, und Viola ging in die Küche, um ihn zuzubereiten. Wir setzten uns in den Salon und sahen einander an. Ich betrachtete Ferns Gesicht ausgiebig und fand, es hatte nichts von dem habgierigen Ausdruck, der bei Minerva Goodacre so unübersehbar gewesen war. Miss Spittys Haare waren rötlich blond, was völlig unmodern war, aber ich fand die Farbe wunderschön. Ihr Teint war rosig, ihre Augen waren hellblau, und auch wenn sie zunächst einen eher blassen und zarten Eindruck machte, so wirkte sie dank ihrer aufgeweckten Art und ihrer lebhaften Mimik doch alles andere als fade. Verglichen mit der verhassten Miss Goodacre schnitt sie gut ab. Vielleicht sollte ich doch mein Einverständnis geben. Auf jeden Fall wären alle erleichtert. Sie lächelte mich an. Ich lächelte sie an. Die Uhr auf dem Kaminsims tickte.
    Viola kam mit einem Tablett herein, auf dem unser bestes Porzellan stand. Als sie es abgestellt hatte, sah sie mich an. »Miz Calpurnia«, sagte sie.
    »Was?«
    »Ich glaube, du solltest dich jetzt ein bisschen ausruhen. Wo du doch in Ohnmacht gefallen bist.«
    »Mir geht’s gut.«
    »Ich glaube wirklich«, sagte Viola, »du solltest dich jetzt ausruhen.«
    »Ich möchte aber Tee trinken.«
    »Ich glaube«, sagte sie, es ist Zeit . Und zwar jetzt .«
    »Oh.«
    »Ich bringe dir den Tee in dein Zimmer.«
    »Na gut.« Wieder einmal war ich unerwünscht. Andererseits war der Gedanke, es mir mit der Schatzinsel und einem kalten Tuch auf der Stirn gemütlich zu machen, auch nicht schlecht. Also verließ ich den Salon, aus dem jetzt das einladende Klappern von Geschirr und das leise Klingeln von Teelöffeln zu hören war, und ging nach oben. SanJuanna brachte mir eine Karaffe mit kühlem Wasser und ein frisches Handtuch. Später kam Viola mit einem Tablett, auf dem ein Gedeck unseres zweitbesten Geschirrs stand – eindeutig ein Friedensangebot nach meiner Verbannung aus dem Salon.
    »Sei bloß vorsichtig! Wenn du auch nur ein Teil zerbrichst …«
    »Das musst du mir nicht erst sagen.«
    Sie stellte das Tablett ab und betrachtete meine Schleife, die ich auf der Kommode abgelegt hatte.
    »Du hast einen Preis bekommen«, sagte sie. »Wie das?«
    »Wie schon?«, antwortete ich mürrisch.
    »Sind die Leute in der Jury alle blind?«
    »Ha ha.«
    »Jetzt verstehe ich«, sagte sie dann. »Es gab nur drei Arbeiten.«
    »Genau.«
    »Hm. Trotzdem – das musst

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