Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
wichtigeren Dingen gewichen, wie es mit den meisten ungeklärten Fällen passiert. Es mochte grausam klingen, aber ich machte mir mehr Sorgen um seine Familie als um ihn selbst. Die Toten hatten keine Probleme, aber die Lebenden schleppten sie haufenweise mit sich herum. Sie brauchten Frieden und einen Grund, die Suche abzubrechen und die Hoffnung aufzugeben, die sie nie wirklich gehabt hatten. Wegen der Furcht, aufzufliegen, und wegen des Mangels an eindeutigen Beweisen konnte keiner von uns ihnen diesen Frieden geben. Tatsächlich war ich sicher, dass diese Unterhaltung zwischen uns vieren bleiben würde. Wie Hamlet so schön sagte: »So macht Bewusstsein Feige aus uns allen.«
»Was geschieht jetzt?«, fragte Mia mit leiser, schüchterner Stimme und umklammerte ihre Arme.
»Wir machen weiter und feiern das Leben, solange wir es haben. Und ansonsten muss ich jetzt nach Hause. Ich hatte nur eine Stunde Ausgang.« Ich ging zur Picknickbank und nahm meine Tasche. »Und, alles klar zwischen uns?«, fragte ich.
»Ich weiß es wirklich nicht, Sam«, sagte Mia. »Können wir dir das später sagen?«
»Klar. Ich verschwinde nicht. Bis später dann.« Ich verließ die Terrasse und ging um das Haus herum, Caleb direkt hinter mir.
»Nimm’s nicht so schwer, Sam. Sie sind verstört und brauchen Zeit, um das alles auf die Reihe zu kriegen. Die kommen drüber hinweg. Bist du doch auch.« Er knuffte mich in den Arm. »Deine Mom hat das also ernst gemeint mit dem Hausarrest, bis du achtzehn bist?«
»Ja, aber das macht nichts. Ist ja nur noch ein Monat.« Ich hatte Glück, so glimpflich davonzukommen. Ich hatte meiner Mom die Hölle auf Erden bereitet, und einmal mehr war ich dankbar für Ruiz’ Geschick, sie abzulenken. Er war seit Wochen in New York, aber er rief Mom jeden Tag an, was sie zum Lächeln brachte und sie manchmal ihren eigenen Namen vergessen ließ.
Ruiz hatte mir erzählt, dass die Überreste zusammen mit den Fotos, die Caleb mit dem Handy gemacht hatte, ausreichen würden, um den Blutdurst der Santiagos zu stillen. Brodie wurde aus der Geiselhaft entlassen und flog mit dem streitlustigen Michael im Schlepptau nach England zurück. Unser Mitwirken hatte uns eine Befreiung von jedweder Verfolgung verschafft, und die Familie freute sich darauf, mich persönlich kennenzulernen. Am Sankt Nimmerleinstag vielleicht. So schnell würde ich nicht darüber hinwegkommen, dass sie mir gedroht und mich und die Familie meines Freundes zu töten versucht hatte.
Angie kehrte nach Polen zurück und versprach, im März nach ihrer Kunstausstellung wiederzukommen. Diese ganze qualvolle Geschichte hatte sie irgendwie inspiriert. Sie ließ eine Bemerkung fallen, dass sie Tobias’ Asche als Pigment für ein Werk verwenden wolle, an dem sie gerade arbeitete, aber ich hoffte sehr, dass sie nur Spaß machte.
Apropos morbide, letzte Woche bekam ich von Olivia ein Päckchen mit dem Buch über den Serienkiller-Freund, das sie gekauft hatte. Es war tatsächlich ziemlich gut, sogar gut genug, um es in unserer nächsten Bücherrunde auf der Arbeit vorzustellen. Olivia und ich waren immer noch keine Busenfreundinnen, aber es war ein Anfang.
Die Reparaturarbeiten an Calebs Reihenhaus waren abgeschlossen, und das keinen Tag zu früh angesichts der Tatsache, dass er und seine Brüder höflich aus ihrem luxuriösen Hotelzimmer hinauskomplimentiert worden waren. Haden wohnte bei Caleb, bis er sich von seiner Schusswunde erholt hatte, und davon, wie Caleb es formulierte, wie er seine Verletzung genutzt hatte, um nicht beim Umzug helfen zu müssen.
Jetzt, da alles geklärt war, musste ich mir nur noch Sorgen darum machen, die Arbeit in Trigonometrie nicht zu verhauen und Wege zu finden, mich mit Caleb zum Energietrinken zurückzuziehen. Dieser Cambion-Seelenverwandte-Kram war heftiger, als wir beide es geahnt hatten, so viel war sicher. Aber Caleb hatte schon recht: Bei uns war es ja niemals einfach. Ich meine, es ist schon sehr unterhaltsam, was die Liebe mit den Menschen anstellt. Ein großartiger Start ins neue Jahr.
»Willst du noch was mit mir essen gehen?«, fragte ich, als er mich zu meinem Auto brachte.
»Nee. Ich muss mein restliches Zeug noch rüberbringen. Aber ich ruf dich später an.« Er gab mir kleine Küsse auf Lippen, auf Wangen und Hals, bis ich nicht nur vor Kälte erschauerte.
Schließlich ließ er von mir ab. »Wir sehen uns, Miss Marshall.«
»Ich weiß.«
Er war schon auf halbem Weg zu seinem Jeep, als er über
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