Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
alte Leute die Treppe hinunterstieß. Das Böse in Mr Ross war aus einem guten Samen in verdorbener Erde gewachsen, in derselben Erde, in der seine Frau begraben lag. Tobias hatte keine Ahnung von der Zweisamkeit, die Mr Ross mit seiner Frau geteilt hatte, von den Stunden, die er mit Weinen und Gebeten verbracht hatte, als die Ärzte Krebs bei ihr diagnostizierten, von dem Niedergang ihrer körperlichen und seiner geistigen Gesundheit. Ich würde seine Taten niemals entschuldigen wollen, aber ich verstand ihn besser als irgendjemand sonst. Was man einmal gesehen hatte, konnte man schließlich nicht mehr aus dem Gedächtnis löschen.
»Und was ist mit den anderen Frauen, die er ermordet hat, hm?«, fragte ich. »Vergießt du für sie auch Tränen und winselst für sie?«
Er hielt mitten im Schritt inne und sah mich an.
»Ja, das dachte ich mir«, fuhr ich fort. »Es ist die eine Sache, wenn es um Menschen geht, aber einen Cambion zu töten, das ist etwas ganz anderes, nicht wahr? Es ist immer falsch, egal wer es ist oder warum. Wenn du also jemanden verurteilen musst, dann verurteile auch mich.« Als er nicht antwortete, sagte ich: »Nadine ist vor Monaten gestorben, und du kommst erst jetzt, um ihr die letzte Ehre zu erweisen?«
»Glaubst du, ich bin zum ersten Mal hier? Ich komme jede Nacht her und beobachte das Haus. Es tröstet mich zu wissen, dass du nur ein paar Meter von mir entfernt bist, so nah und doch so fern.« Er sah, wie ich erstarrte, und fügte hinzu: »Wie ich schon sagte, ich kann dich nicht zwingen. Lilith wird ihren Wirt bis zum Äußersten beschützen, also brauche ich deine Einwilligung. Die wird aber nicht lange auf sich warten lassen. Ich spüre, wie sie sich in dir regt, wie sie sich an mich erinnert, wie sie nach ihrem Gefährten verlangt …«
»So, jetzt ist aber Schluss. Ich bin nicht deine Gefährtin. Um genau zu sein, ich bin niemandes Gefährtin.«
»Noch nicht. Aber ich habe vor, das bald zu ändern«, versicherte er voll unerschütterlichem Selbstvertrauen.
»Ja, ich auch – sobald Caleb aufwacht.«
Sein harter Blick nagelte mich fest. »Das wird dir nichts nützen. Letzten Endes werden er und seine Brüder doch sterben. Du kannst ihnen wertvolle Zeit verschaffen, indem du dich fernhältst.«
Ich stieß mich von der Wand ab und stand nach wenigen Schritten direkt vor ihm. Es war mir plötzlich egal, dass ich nur halb angezogen war. »Das kannst du nicht machen! Sie haben doch nichts Schlimmes getan!«
»Sie wussten, wozu ihr Vater fähig war. Sie wussten, welchen Wahnsinn ein zerstörter Bund hervorrufen kann. Wenn du mich fragst, waren sie mitschuldig an dem Mord an Nadine.«
»Sie konnten nichts ausrichten. Sie konnten ihrem Vater und der Quelle ihres Geistes nichts antun.«
»Du verteidigst sie und behauptest trotzdem, Nadine sei dir wichtig gewesen. Warum?« Schmerz und Misstrauen blitzten in seinen Augen auf. »Ich muss die Sache zu Ende bringen, Samara. Ich empfehle dir, dich nicht einzumischen und das Unvermeidliche zu akzeptieren.«
Er drohte mir! Mit beiden Händen versuchte ich, ihn wegzuschieben, doch er bewegte sich keinen Zentimeter. Das hinderte mich jedoch nicht daran, ihm meinen Standpunkt klarzumachen: »Wenn du Caleb umbringst, dann töte ich dich.«
Er lächelte mir zu wie einem niedlichen Kind. »Caleb ist schon tot. Du musst ihn nur noch gehen lassen.«
Ich brauchte eine Weile, um mich wieder zu sammeln. Es war nicht gerade hilfreich, dass Tobias immer noch aussah wie Caleb. Ich kratzte meine ganze Entschlossenheit zusammen und unterdrückte das Zittern in meiner Stimme. »Er wäre keine Bedrohung mehr für dich, wenn er wirklich tot wäre, und ich würde dann auch nicht hier stehen. Du lügst.«
Er hob herausfordernd die Augenbrauen. »Ach ja?«
»Du manipulierst jeden um dich herum, um deinen Willen zu bekommen.« Ich betrachtete ihn von oben bis unten. »Sieh dich doch an. Du selbst kannst ja nicht mal eine Frau rumkriegen. Du musst dich als jemand anders ausgeben.«
Er kräuselte die Lippen und ließ seinen Blick unter schweren Lidern an meinem Körper hinauf- und hinunterwandern. »Ich brauche keine billigen Tricks, um zu bekommen, was ich will.«
Ich trat ein paar Schritte zurück. »Dann zeig dich. In deiner wahren Gestalt. Ohne Verkleidung.«
Er zuckte für einen Sekundenbruchteil zusammen, fing sich aber rasch wieder. Er schloss die Augen und holte tief Luft. Seine Haut dehnte sich und zog sich zusammen, bis Calebs Abbild sich
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