Camel Club 01 - Die Wächter
zur Okkupation missriet, hatte Adnan es als völlig klar erachtet, welcher Pflicht er folgen musste. Also kämpfte er gegen die Amerikaner und liquidierte dabei auch Mitbürger, was er zwar als scheußlich, aber unvermeidlich empfand. Im Krieg zwischen Iran und Irak hatte er Iraner getötet. Im Irak hatte er Araber und Amerikaner umgebracht. Mit dem Messer hatte er Tiere geschlachtet. Es schien Adnan, als wäre er immerzu damit beschäftigt gewesen, Leben auszulöschen.
Und jetzt war allein sein Leben noch übrig. Seine Frau und die Kinder waren tot. Auch seine Eltern, die Brüder und Schwestern hatte allesamt der Tod ereilt. Nur Adnan weilte noch auf Erden, während seine Familie längst im Paradies wohnte.
Jetzt hielt er sich in den Vereinigten Staaten auf, war ins Herz des Feindes vorgedrungen. Hier wollte er seinen persönlichen Endkampf ausfechten, den Schlussakt eines Lebens vollziehen, das aus Angreifen und Angegriffenwerden bestanden hatte. Adnan fühlte sich müde. Ihm war, als hätte er achtzig Jahre lang gelebt, jedoch in der Hälfte dieser Zeitspanne. Sein Körper und sein Geist konnten nicht mehr viel verkraften.
Er trank den Teebecher leer, wobei er weiterhin aus dem Fenster blickte. Auf dem Spielplatz des Wohnblocks tummelte sich eine Schar Kinder. Einträchtig spielten schwarze, weiße und braune Kinder miteinander. In diesem Alter hatten Unterschiede der Hautfarbe und der Kultur keinerlei Bedeutung für sie. Doch zu ihrem Unglück würde sich das ändern, wenn sie erwachsen wurden, wie Adnan wusste. Es kam immer so.
KAPITEL 36
»Sie wollten mich sprechen, Sir?«, fragte Tom Hemingway, als er Carter Grays Büro betrat. Gerüchten zufolge war es die einzige Räumlichkeit im gesamten NIC-Gebäude und auf dem NIC-Gelände, die keiner elektronischen Überwachung unterlag.
Carter Gray, der am Schreibtisch saß, winkte Hemingway herein. »Schließen Sie die Tür, Tom.« Eine halbe Stunde lang diskutierten die beiden Männer verschiedene anstehende weltpolitische Ereignisse, globale Krisen sowie Hemingways Einschätzung bedeutsamer Entwicklungen in mehreren laufenden geheimdienstlichen Operationen im Nahen und Fernen Osten. Dann wandte das Gespräch sich anderen Dingen zu. »Wie lief es mit den Secret-Service-Agenten, die heute bei uns waren?«, fragte Gray.
»Ich habe ihnen Amtshilfe erwiesen, Sir, soweit die Amtshilfe des NIC reicht. Ich hoffe, ich habe das Richtige getan, als ich sie Ihnen vom Hals geschafft habe.«
»O ja. Mit welchen Agenten hatten sie gerade geredet, als ich mich eingemischt habe?«
»Warren Peters und Tyler Reinke. Tüchtige Mitarbeiter. Sie sollten während der Ermittlungen die Interessen des NIC vertreten. Soviel ich weiß, haben sie für den Secret Service ein am Tatort gefundenes Beweisstück labortechnisch untersuchen lassen.«
»Ich habe mit dem Präsidenten über Ford und Simpson gesprochen. Ich bezweifle, dass sie ein zweites Mal lästig werden.«
»Stimmt es, dass Jackie Simpson Ihr Patenkind ist?«
»Ja. Sie ist Roger Simpsons einziges Kind. Ich habe mich geehrt gefühlt, als er mich gebeten hat, Jackies Pate zu werden. Aber ob ich ein guter Pate war, da bin ich mir gar nicht so sicher.«
»Wie es aussieht, kommt Jackie Simpson ganz gut selbst zurecht.«
»Ich liebe sie wie eine Tochter.« Dieses Bekenntnis machte Gray offenbar ein wenig verlegen, denn er räusperte sich rasch. »Wegen Patrick Johnsons Tod wird eine interne Untersuchung stattfinden. Auch das FBI ist beteiligt.«
Hemingway nickte. »Ich halte das für einen klugen Schritt. Obwohl ich nicht glaube, dass irgendwelche internen Unregelmäßigkeiten aufgedeckt werden, müssen wir auf alle Fälle das Gesicht wahren.«
Aufmerksam musterte Gray ihn. »Und wieso glauben Sie, dass nichts Derartiges entdeckt wird, Tom?«
»Angesichts eines Drogenfunds in Johnsons Haus? Einem Haus, das er sich so wenig leisten konnte wie seine Autos? Das scheint mir ein klarer Fall zu sein. Und es war nicht das erste Mal.«
»Es ist das erste Mal, dass es bei uns geschehen ist«, sagte Gray. »Haben Sie Johnson gut gekannt?«
»Nur flüchtig. Soviel ich weiß, hat er hervorragende Arbeit geleistet.«
»Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?«
Hemingway überlegte. »Ich hatte nur begrenzten Kontakt zu ihm, kann aber so viel sagen, dass er ein Mann war, dessen Ehrgeiz seine Möglichkeiten überstieg.«
»Ein scharfes Urteil für jemanden, der einräumt, den Mann nicht gut gekannt zu haben.«
»Ich müsste die gleiche
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