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Camel Club 01 - Die Wächter

Titel: Camel Club 01 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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still und friedlich. Keine Bomben, keine Schießereien. Sie sah Menschen ihres Weges gehen und sich dabei unterhalten. Auf der Eingangstreppe eines Nachbarhauses saß ein alter Mann, rauchte eine Zigarette und trank ein Bier. Von dem kleinen Spielplatz in der Nähe hörte Djamila Kinderlachen herüberschallen. Sie war jung; vor ihr lag noch das ganze Leben. Dennoch schloss sie langsam das Fenster und zog sich in die Dunkelheit der Wohnung zurück.
    »Gewähre mir, dass ich dich morgen nicht enttäusche«, betete Djamila leise. »Gewähre mir, dass ich dich nicht enttäusche.«
    Kaum zwanzig Fahrtminuten von Djamilas Wohnung entfernt hatte Adnan al-Rimi soeben sein letztes Tagesgebet beendet. Ähnlich wie Djamila hatte auch er sich heute für jedes Gebet mehr Zeit genommen als sonst.
    Er rollte den Gebetsteppich ein und räumte ihn fort. Adnan betete nur zweimal täglich, am Morgen und am Abend. Den Ramadan beachtete er nur widerwillig, weil er zu viele Jahre mit leerem Bauch hatte leben müssen, um am Fasten noch Geschmack zu finden. Im Laufe der Jahre hatte er gelegentlich Zigaretten und Alkohol konsumiert. Die Pilgerfahrt nach Mekka war ihm nie vergönnt gewesen, weil er sich keine solche Reise leisten konnte. Und doch betrachtete er sich als gläubigen Moslem, weil er fleißig arbeitete, Bedürftigen half, nie betrog und nie log. Allerdings hatte er getötet. Er hatte im Namen Gottes getötet, um den Islam zu verteidigen, seine Lebensweise. Manchmal hatte er den Eindruck gehabt, dass sein gesamtes Dasein nur aus Arbeiten, Beten und Kämpfen bestand. Er hatte geschuftet, damit seine Kinder nicht zum Kämpfen gezwungen waren, nicht sich und andere Menschen in die Luft sprengen mussten, um etwas zu beweisen. Doch alle seine Kinder waren tot. Trotz aller Anstrengungen ihres Vaters, für ihren Schutz zu sorgen, war die Gewalt nicht an ihnen vorübergegangen.
    Nun stand Adnan vor nur noch einer Aufgabe.
    Mit geschlossenen Augen schritt er in Gedanken die Räumlichkeiten der Klinik ab. In der Phantasie durchmaß er den Flur, wandte sich nach rechts, ging vierzehn Schritte und bog wieder rechts ab, öffnete die Tür und nahm acht Stufen abwärts, betrat einen Treppenabsatz, stieg nochmals acht Stufen hinab, durchquerte den Flur und erreichte den Hinterausgang. Dann wiederholte er diese geistige Übung. Und wiederholte sie ein weiteres Mal.
    Anschließend zog Adnan das Hemd aus und betrachtete im Badezimmerspiegel seinen Körper. Wenngleich er noch eine beeindruckende Statur hatte, spürte er unter den Muskeln eine Art Hinfälligkeit, die eher zu einem Greis als zu einem Mann in den besten Jahren gepasst hätte. Die vielen äußeren Verletzungen, die er mit den Jahren davongetragen hatte, waren verheilt. Die Narben seiner Seele jedoch blieben.
    Er setzte sich aufs Bett, entnahm seiner Brieftasche zehn Fotos und breitete sie vor sich aus. Die Fotos waren zerknitterte, verblichene Andenken an seine Familie. Er besah sich jedes Bild ausgiebig, erinnerte sich an Augenblicke des Friedens und der Liebe. Und des Grauens. Als die Saudis seinen Vater enthauptet hatten, obwohl er sich nur ein geringfügiges Vergehen hatte zuschulden kommen lassen. Meistens brauchte es zwei Schwerthiebe, um jemandem den Kopf abzuschlagen. Adnans Vater jedoch hatte einen kräftigen Hals gehabt, und drei Hiebe waren erforderlich gewesen, denen Adnan, damals acht Jahre alt, hatte zwangsweise zuschauen müssen. Wenige Menschen hätten sich solchen Erinnerungen hingeben können, ohne zumindest ein paar Tränen zu vergießen; doch Adnans Augen blieben trocken. Aber als er die ausgeblichenen Bilder seiner toten Kinder küsste, zitterten ihm die Finger.
    Einige Minuten später zog Adnan den Sakko an und verließ die Wohnung. Mit dem Fahrrad gelangte er zügig in Brennans Ortszentrum. Er kettete das Fahrrad an einem Fahrradständer fest und setzte den Weg zu Fuß fort. Er kam er am Mercy Hospital vorüber. Kurz streifte sein Blick seine Arbeitsstätte; wenigstens bis morgen sollte dort noch sein Arbeitsplatz sein. Dann huschte sein Blick hinüber zu dem Wohnhaus auf der anderen Straßenseite, in dem, wie er wusste, die beiden Afghanen immer wieder ihre Waffen überprüften, weil sie systematisch und perfektionistisch dachten, wie man es von guten Scharfschützen erwarten musste.
    Kurz darauf bog Adnan in eine andere Straße ein und gelangte schließlich in eine Gasse. Zweimal pochte er an eine Tür. Er hörte nichts. Dann rief er etwas auf Farsi. Schritte

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