Camel Club 01 - Die Wächter
später gingen die beiden Mörder davon. Als das Geräusch ihrer Schritte endlich verstummte, gab der Camel Club einen gemeinschaftlichen Seufzer der Erleichterung von sich. Einen Finger auf die Lippen gedrückt, schlich Stone aus dem Versteck auf den Denkmalsplatz, gefolgt von den anderen.
Reuben kniete neben dem Leichnam nieder. »Wenigstens war er sofort tot«, sagte er leise und schüttelte den Kopf. »Aber das ist ein schwacher Trost, wenn man ermordet wird.« Sein Blick fiel auf die beinahe leere Flasche. »Dewar’s. Sieht so aus, als hätten sie das arme Schwein abgefüllt, damit es sich nicht wehrt.«
»Hat er Ausweispapiere dabei?«, fragte Stone.
»Das hier ist ein Tatort«, sagte Caleb mit zittriger Stimme. »Wir sollten lieber nichts anrühren.«
»Er hat recht«, pflichtete Reuben ihm bei. Er blickte Milton an, der mit den Händen krampfhafte Gebärden vollführte und stumm sein Zwangsritual vollzog. Reuben stöhnte auf. »Wir sollten schleunigst von hier abhauen, Oliver, das wäre vernünftiger.«
Stone hockte sich an seine Seite. »Das war eine Hinrichtung, die nach Freitod aussehen soll, Reuben«, entgegnete er mit gedämpfter, aber nachdrücklicher Stimme. »Die beiden Kerle waren Berufskiller. Ich möchte wissen, wer ihr Opfer ist und was der arme Hund gewusst hat, dass er sterben musste.« Beim Sprechen zog er ein Taschentuch aus der Hosentasche, wickelte es sich um die Hand und durchsuchte die Kleidung des Toten, bis er eine Brieftasche entdeckte. Behutsam klappte er sie auf, sodass er und die anderen den in Klarsichtplastik eingeschweißten Führerschein sahen. Reuben nahm das Feuerzeug zur Hand und knipste es an, damit Stone die Angaben entziffern konnte.
»Patrick Johnson«, las Stone. »Wohnhaft in Bethesda.« Er steckte die Brieftasche zurück in die Windjacke, suchte weiter und brachte das Papier zum Vorschein, das die Killer bei dem Toten belassen hatten. Im unsteten Schein des Feuerzeugflämmchens las er mit verhaltener Stimme vor, was darauf geschrieben stand. »Es tut mir leid. Es ist alles zu viel. Ich kann nicht mehr damit leben. Dies ist der einzige Ausweg. Tut mir leid.‹ Die Unterschrift lautet: Patrick Johnson.«
Bedächtig nahm Caleb die Melone vom Kopf und sprach ein kurzes Gebet für den Toten. »Die Schrift ist deutlich zu lesen«, sagte Stone anschließend. »Die Polizei wird wahrscheinlich annehmen, er hätte den Abschiedsbrief geschrieben, bevor er sich volllaufen ließ und in Selbstmordstimmung kam.«
»Ehe die beiden Kerle ihn umgebracht haben«, sagte Reuben, »hat er sich auch mündlich entschuldigt.«
Stone schüttelte den Kopf. »Ich glaube, damit hat er etwas anderes gemeint. Dieser Zettel dient der Irreführung. Er soll der typische Abschiedswisch eines Selbstmörders sein.« Stone schob das Papier in die Jackentasche des Toten zurück. Dabei ertasteten seine Finger einen anderen Gegenstand. Er brachte eine kleine rote Anstecknadel zum Vorschein und betrachtete sie im Dunkeln.
»Was ist das?«, fragte Reuben und hielt das Feuerzeug näher heran.
»Und wenn die beiden Kerle zurückkommen?«, meinte Caleb im Flüsterton.
Stone steckte auch die Anstecknadel in Johnsons Windjacke zurück und betastete die Kleidung des Toten. »Die Klamotten sind klatschnass.«
Reuben zeigte auf die Plastiktüte. »Was hältst du davon?«
»Ich könnte mir vorstellen«, sagte Stone, »wieso seine Kleidung nass ist, und ich kann mir auch denken, was die Tüte zu bedeuten hat. Aber Caleb hat recht, wir sollten abhauen.«
Kaum hatte die Gruppe den Rückzug angetreten, fiel auf, dass Milton sich nicht anschloss. Als Stone und die anderen sich umdrehten, sahen sie ihn gebückt dastehen; er streckte den Arm über die Leiche aus und rasselte dabei Zahlen herunter.
»Komm schon, Milton«, sagte Caleb eindringlich, »wir müssen uns von hier verziehen.«
Doch Milton war offenbar so sehr traumatisiert, dass er mit dem Zählen gar nicht mehr aufhören konnte. »Ach du lieber Himmel«, ächzte Reuben. »Warum stellen wir uns nicht alle da hin und üben Abzählen, bis die Schweinebacken wieder aufkreuzen und uns mit Blei vollpumpen?«
Stone legte Reuben eine Hand auf den Arm, um ihn zu beschwichtigen, trat zu Milton und senkte den Blick auf das Gesicht des Toten. Dann kniete er nieder und berührte mit sanfter Hand Miltons Schulter. »Wir können nichts mehr für ihn tun, Milton«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ich weiß, dass das Zählen dich beruhigt, aber wenn die Mörder
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