Camel Club 01 - Die Wächter
zurückkommen…« Er entschloss sich zur Unverblümtheit. »Sie haben Schusswaffen, Milton, und wir nicht.«
Milton unterbrach sein Ritual und unterdrückte ein Schluchzen. »Ich kann Gewalt nicht ausstehen, Oliver«, bekannte er mit bebender Stimme, drückte sich den Lederranzen an die Brust und wies auf den Leichnam. »So was mag ich nicht.«
»Ich weiß, Milton. Das mögen wir alle nicht.«
Gemeinsam richteten Stone und Milton sich auf. Mit einem erleichterten Seufzer folgte Reuben ihnen und Caleb auf den Kiesweg, der zurück zum Ruderboot führte.
Auf dem Weg zum Schlauchboot blieb Warren Peters, der Mörder Patrick Johnsons, abrupt stehen.
»Scheiße!«, entfuhr es ihm.
»Was denn?«, fragte Tyler Reinke und äugte nervös umher. »Ein Polizeiboot?«
»Nein, aber um ein Haar wäre uns ein riesiger Fehler unterlaufen.« Peters beugte sich vor und klaubte eine Hand voll Erde und Kiesel zusammen. »Als wir ihn ins Wasser getaucht haben, sind dadurch seine Schuhsohlen sauber geworden. Aber wenn er hier im Gehölz rumgelatscht sein soll, dürfen seine Sohlen nicht sauber sein. So was würde das FBI nicht übersehen.«
Eilig kehrten die beiden Männer zu der Leiche um. An den Füßen des Ermordeten ging Peters in die Hocke und schmierte Lehm und Kieselsteinchen ins Profil der Schuhsohlen.
»Prima«, sagte Reinke.
»Ich wage gar nicht dran zu denken, was passiert wäre, wenn wir uns einen solchen Ausrutscher geleistet hätten.« Peters vollendete das Werk und wollte aufstehen, als plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit erregte. »Teufel noch mal, das gibt’s doch nicht!«, stieß er hervor. Er deutete auf den Zettel, den er dem Toten in eine Tasche der Windjacke geschoben hatte: Eine Ecke ragte heraus. »Ich habe das Blatt ganz reingesteckt, damit es nicht so offensichtlich wirkt. Wieso guckt der Schrieb jetzt ein Stück raus?« Er schon den Zettel zurück in die Tasche des Toten und blickte seinen Kumpan ratlos an.
»Könnte sich ein Tier an ihm zu schaffen gemacht haben?«
»Nach so wenigen Minuten? Und warum sollte ein Tier sich für Papier statt für das Fleisch interessieren?« Peters richtete sich auf, kramte die Taschenlampe hervor und besah sich das Ziegelpflaster.
»Wahrscheinlich hast du den Schrieb nicht tief genug reingesteckt«, meinte Reinke.
Peters leuchtete weiter die nähere Umgebung ab. Plötzlich verhielt er und lauschte in die Dunkelheit.
»Was ist nun schon wieder?«, fragte Reinke.
»Spitz mal die Ohren. Hörst du das?«
Reinke lauschte angestrengt. »Da laufen welche«, flüsterte er. »Da drüben.« Er zeigte nach rechts, auf einen Kiespfad, der in Gegenrichtung zu dem Weg verlief, den sie vorhin benutzt hatten.
Beide Männer rissen die Waffen heraus und rannten in die Richtung, aus der das Geräusch der Schritte kam.
KAPITEL 10
Stone und seine Freunde waren gerade ins Boot gesprungen, hatten abgelegt – der Nebel war mittlerweile so dicht, dass er die Orientierung erheblich erschwerte – und sich kaum dreieinhalb Meter von der Insel in den Little Channel fortbewegt, als die zwei Männer aus einem Hain hervorbrachen und sie sahen.
»Rudern, Reuben, schnell! Und halt das Gesicht unten!«, stieß Stone hervor. Doch Reuben brauchte keine solche Ermahnung. Er spannte die breiten Schultern, und seine mächtigen Oberarme bewegten das kleine Ruderboot pfeilschnell vom Ufer weg. Stone wandte sich an die anderen. »Versteckt eure Gesichter vor den Burschen«, raunte er. »Caleb, nimm den Hut ab.« Alle beugten sich tief nach vorn. Caleb riss sich die Melone vom Kopf und klemmte sie zwischen die zitternden Knie, während Milton die Sekunden zählte. Die beiden Männer am Ufer hoben die Waffen, doch der Nebel erschwerte ihnen das Zielen. Beide feuerten, doch die Geschosse klatschten fast einen halben Meter neben dem Boot ins Wasser.
»Mann, Reuben, streng dich mal ein bisschen an«, krächzte Caleb entsetzt, während er sich noch tiefer auf die Planken des Ruderboots drückte.
»Was glaubst du eigentlich, was ich tue, verdammt?«, brauste Reuben auf. Schweiß rann ihm übers Gesicht.
Beim zweiten Mal zielten die Killer merklich genauer, ehe sie schossen. Eine Kugel traf das Boot. Holzsplitter wirbelten umher und verletzten Stone an der rechten Hand. Blut sickerte über seine Finger und tropfte aufs Schanzkleid des Ruderboots. Rasch stillte er die Blutung mit dem Taschentuch, das er zuvor benutzt hatte, um Patrick Johnsons Leichnam zu durchsuchen.
»Oliver!«, rief Milton
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