Camel Club 01 - Die Wächter
Absicht, im Country Club Tennis oder Karten zu spielen. In ihrem Täschchen befand sich ein atemberaubend dünnes Negligé. Den dazu passenden Tanga trug sie schon, und für das, was sie an diesem Nachmittag vorhatte, war es für ihre Begriffe überflüssig, einen BH zu tragen. Hoffentlich riss ihr blutjunger Liebhaber ihr nicht die Sachen vom Leib.
Djamila trat ans Fenster und sah Lori in ihrem kleinen Mercedes-Sportwagen abfahren. Eines Nachmittags, als George Franklin sich freigenommen hatte, um etwas mit seinen Söhnen zu unternehmen, war Djamila seiner Frau zum Country Club gefolgt und hatte beobachtet, wie sie zu einem fremden Mann ins Auto gestiegen war. Djamila war ihnen zu einem Motel nachgefahren. Sie vermutete, dass Lori auch heute zu diesem Motel fuhr. Schließlich war es nicht ganz einfach, ohne Schläger Tennis zu spielen – und der Schläger hing noch in der Garage am Haken.
In Amerika waren die Männer eindeutig nicht die Herren; das hatte Djamila schon nach wenigen Wochen in den Vereinigten Staaten erkannt. Hier waren die Männer Trampel. Und ihre Weiber waren Huren.
Nach dem Mittagsschläfchen fuhr Djamila mit ihren drei Schützlingen in den Park, wo sie herumtollten bis zur Erschöpfung. Djamila wünschte sich Söhne, viele Söhne, doch sie bezweifelte, dass sie jemals Mutter werden durfte.
Sie reichte den Jungen einen Snack aus dem mitgebrachten Picknickkorb. Kurz darauf musste sie wieder einmal Timmy hinterherlaufen, dem Ältesten, um ihr Handy und die Autoschlüssel wieder an sich zu bringen. Timmy schnappte sich die Sachen jedes Mal, wenn Djamila ihre Handtasche in seiner Reichweite liegen ließ. Es störte sie nicht. Alle Kinder waren neugierig. Als sie die Jungen schließlich wieder in den Kleinbus setzte, nickten sie sofort ein. Anschließend breitete Djamila neben dem Fahrzeug ihren Teppich aus und verrichtete das Nachmittagsgebet. Für die Waschung hatte sie eine Schüssel und eine kleine Flasche Wasser dabei.
Während die Jungs schliefen, umrundete Djamila im Kleinbus ganz Brennan. Wie viele andere Ortschaften in dieser Gegend verdankte auch Brennan sein Entstehen der Eisenbahn, die hier einen Bahnhof erbauen ließ. Zwar fuhren hier einige Passagierzüge, doch überwiegend beförderten Güterzüge Kohle und Koks zu Stahlwerken und zu den Häfen der Ostküste. Brennan verwandelte sich immer mehr in einen geschniegelten Vorort Pittsburghs. Es gab seltsame Läden und malerische Restaurants, zahlreiche neue Wohngebäude und einen prachtvollen, brandneuen Country Club.
Häufig hielt Djamila an, um mit einer Digitalkamera, die kaum größer war als ihr Zeigefinger, Fotos zu machen. Dabei sprach sie auf einen kleinen Recorder und beschrieb Dinge, die für ein ausländisches Kindermädchen eigentlich kaum von Interesse sein konnten. Doch Djamila interessierte sich für alles. Anschließend fuhr sie die Umgebung ab und achtete dabei besonders auf die Beschaffenheit der Straßen.
Zuletzt lenkte sie den Wagen vor ein schönes, aus Naturstein errichtetes Wohnhaus, das ein gutes Stück abseits der Landstraße hinter einer niedrigen Steinmauer stand. Was für ein hübsches Zuhause, dachte Djamila. Allerdings viel zu groß. In Amerika war alles zu groß: von den Essensportionen bis zu den Häusern, von den Autos bis zu den Menschen. Dafür war die Bekleidung entschieden zu klein. In den vergangenen Monaten hatte Djamila mehr Hintern, Bauch und Busen gesehen als in sämtlichen Jahren ihres Lebens zuvor. Es widerte sie an.
Lieber hätte Djamila ihren ganzen Leib mit jilbab und khimar umhüllt, lieber mit drei Nebenfrauen konkurriert, als eine solche »Freiheit« zu genießen.
Mit trübseliger Miene betrachtete sie die schlafenden Kinder. Auch die Franklins mit ihrem Geld und ihrer lieblosen Ehe widerten sie an. In gewisser Weise fühlte sie sich auch von den Kindern auf der Rückbank angewidert, weil sie eines Tages erwachsen wurden und glaubten, die Welt zu beherrschen, weil sie Amerikaner waren.
Djamila legte den Gang ein und fuhr weiter. Am Abend musste sie am Computer sitzen und per Spielfilm-Chatroom Bericht erstatten. Der heutige Chatroom würde sich mit dem Film Wer die Nachtigall stört beschäftigen. Ein seltsamer Titel. Doch die Amerikaner, das wusste Djamila inzwischen, waren ja auch seltsame Menschen. Seltsam, gewalttätig und – was am meisten erschreckte – völlig unberechenbar.
KAPITEL 16
Nachdem Oliver Stone in sein Friedhofswärterhäuschen heimgekehrt war, hatte er zu
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