Camel Club 02 - Die Sammler
konnte.
»Möchten Sie mal zu mir kommen und sich das Exemplar ansehen?«
Behutsam versuchte er sich ihren Krallen zu entwinden, doch sie ließ nicht locker. »Äh, da muss ich erst in meinem Terminkalender nachschauen. Ich will mal so sagen … schlagen Sie mir ein paar Daten vor, wenn Sie das nächste Mal hier sind, und ich sehe, was sich machen lässt.«
»Ach, Caleb, ich habe immer Zeit«, antwortete sie kokett. Sie klimperte sogar mit den falschen Wimpern.
»Na, das ist doch wunderbar.« Nochmals versuchte er seine Hand zu befreien, aber die alte Dame hielt ihn unerbittlich fest.
»Lassen Sie uns sofort einen Termin festlegen«, meinte sie in honigsüßem Ton.
In seiner Verzweiflung blickte Caleb hinüber zu Janklow, der sie argwöhnisch beobachtete. Gewöhnlich konkurrierten er und Jewell um Calebs Zeit, als wären sie zwei Wölfe, die sich um ein Stück Fleisch stritten. Um Ausgleich zu schaffen, würde er sich, bevor er Feierabend machte, für ein paar Minuten mit Janklow zusammensetzen müssen, oder der alte Knacker würde wochenlang nörgeln.
Als Calebs Blick auf ihn fiel, hatte er eine Eingebung.
»Jewell, ich wette, wenn Sie den Vorschlag Norman unterbreiten, wäre er diesmal froh, sich Ihren neuen Beadle angucken zu dürfen. Bestimmt bereut er seine bösen Worte längst ganz schrecklich.«
Sofort ließ Jewell seine Hand los. »Mit Neandertalern pflege ich keinen Umgang«, entgegnete sie patzig, zeigte ihm die geöffnete Handtasche vor und rauschte zum Lesesaal hinaus.
Caleb lächelte, rieb sich die Hand, hockte sich anschließend ein Weilchen mit Janklow zusammen und dankte dem Mann stumm, weil dessen bloße Anwesenheit es ihm ermöglicht hatte, Jewell English abzuwimmeln. Dann widmete er sich wieder seiner Arbeit.
Doch seine Gedanken sprangen immerzu von dem geheimnisvollen Psalm Book zum toten Jonathan DeHaven und von ihm zum früheren Sprecher des Abgeordnetenhauses, dem ebenso toten Bob Bradley, und von dem wiederum zu Cornelius Behan, einem ultrareichen Rüstungsunternehmer und Weiberhelden, der allem Anschein nach seinen Nachbarn ermordet hatte.
Caleb konnte kaum fassen, dass er Bibliothekar geworden war, um im Leben möglichst wenig Stress zu haben. Vielleicht sollte er sich um eine Stelle bei der CIA bewerben, um ein bisschen Muße zu finden.
KAPITEL 41
Annabelle nahm ihr Abendessen im Hotelzimmer zu sich, duschte, wickelte sich in ein Badetuch und kämmte sich die Haare. Während sie vor dem Spiegel des Schminktischs saß, rekapitulierte sie die Ereignisse. Der vierte Tag seit dem Abgang aus Atlantic City war angebrochen. Inzwischen wusste Jerry Bagger, dass man ihn um 40 Millionen Dollar erleichtert hatte. Sie hätte jetzt achttausend Kilometer von dem Mann entfernt sein müssen, hatte aber lediglich einen kurzen Flug nach Süden unternommen. Noch nie hatte sie einen Fluchtplan umgeworfen; allerdings war ihr auch noch nie ein Exmann ermordet worden.
Oliver und Milton beeindruckten sie, während sie Caleb für ein wenig »eigenartig« hielt und Reuben sie mit seiner nachgerade hündischen Bewunderung gehörig amüsierte. Annabelle musste sich eingestehen, dass es ihr gefiel, mit dieser seltsamen Bande zusammenzuarbeiten. Obwohl Annabelle vom Typ her eher Einzelgängerin war, hatte sie sich stets im Team betätigt, und auf gewisse Weise brauchte sie so etwas. Es hatte mit ihren Eltern angefangen und sich im Erwachsenenleben fortgesetzt, sobald sie eigene Teams anführte. Oliver und seine Kumpel füllten diese Lücke in ihrem Leben, wenngleich auf andere Art. Dennoch hätte sie jetzt nicht hier sein dürfen.
Annabelle beendete das Kämmen, streifte das Badetuch ab und zog ein langes T-Shirt an. Sie trat ans Fenster und warf einen Blick auf die geschäftige Straße. Während sie das Gewühl des Fahrzeugverkehrs und die eiligen Fußgänger beobachtete, fasste sie im Geist zusammen, was sie seit ihrer Ankunft im D. C. getan hatte: eine Zeitschriftenredakteurin gespielt, Oliver wissentlich beim Einschleichen in die Kongressbibliothek unterstützt, eine Straftat verübt, indem sie sich als FBI-Agentin ausgab. Und nun sollte sie einen Weg aushecken, wie Caleb Einsicht in die Überwachungsvideos erhielt, um vielleicht zu klären, was sich mit Jonathan ereignet hatte. Wenn Oliver recht hatte, mochten dahinter Leute stecken, die möglicherweise noch gefährlicher waren als Jerry Bagger.
Sie wandte sich vom Fenster ab und setzte sich aufs Bett, um sich die Beine einzucremen. »Das
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