Camel Club 02 - Die Sammler
Caleb wird natürlich nicht zugeben, dass er Sie gern in der Nähe hatte, aber er dürfte von allen am längsten schmollen.«
»Und Sie?«, fragte Annabelle, den Blick gesenkt.
Mit der Stiefelspitze schabte Stone Grasreste von den Rädern des Rasenmähers. »Sie haben auf jeden Fall ein paar bemerkenswerte Fähigkeiten.«
»Und Sie haben mich beim Taschendiebstahl erwischt. So was ist mir nicht mehr passiert, seit ich acht war.« In ihrem Blick stand eine stumme Frage.
»Sie waren bestimmt ein sehr vorwitziges Kind«, sagte Stone.
Sie schmunzelte kaum merklich. »Jedenfalls war es mir ein Vergnügen. Passen Sie auf sich auf. Vor allem, wenn Ihre Feinde zu Ihnen finden.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Äh, Susan … falls wir die Sache aufklären, sollen wir Sie dann kontaktieren, damit Sie Näheres über den Mord an Jonathan erfahren?«
Sie drehte sich ihm wieder zu. »Ich sollte die Vergangenheit lassen, wo sie ist: in der Vergangenheit.«
»Ich dachte, Sie wollten vielleicht Bescheid wissen. Wenn man einen geliebten Menschen auf eine solche Weise verliert, kommt man nie so richtig darüber hinweg.«
»Das hört sich an, als würden Sie aus Erfahrung sprechen.«
»Ich spreche über meine Frau. Es ist schon lange her.«
»Sind Sie geschieden?«
»Nein.«
»Bei mir war es anders. Unsere Ehe zu beenden war seine Entscheidung. Ich weiß gar nicht mehr so recht, warum ich gekommen bin.«
»Aha. Dann kann ich wohl das Foto zurückhaben?«
»Was?«, fragte sie verdutzt.
»Jonathans Foto. Ich möchte es wieder in sein Haus stellen.«
»Oh, ich … Ich hab’s nicht bei mir.«
»Na gut. Wenn Sie da sind, wohin Sie wollen, können Sie es mir ja schicken.«
»Sie sind viel zu vertrauensselig, Oliver. Nichts kann mich zwingen, es Ihnen zu schicken.«
»Das stimmt. Überhaupt nichts.«
Sie musterte ihn verwundert. »Sie sind einer der ungewöhnlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin, und das will etwas heißen, das dürfen Sie mir glauben.«
»Sie sollten sich auf die Socken machen, sonst versäumen Sie Ihren Flug.«
Ihr Blick streifte die Grabsteine. »Sie sind hier von Tod umgeben. So was ist deprimierend. Denken Sie mal darüber nach, ob Sie nicht ’nen anderen Job machen wollen.«
»Sie sehen hier Tod und Trauer. Ich dagegen sehe die erfüllten Leben und die guten Taten vergangener Generationen, die das Dasein späterer Generationen beeinflusst haben.«
»Das ist eine für meinen Geschmack zu altruistische Sichtweise.«
»Genauso dachte ich früher auch.«
»Viel Glück.« Sie wandte sich ab und ging.
»Falls Sie mal einen Freund brauchen, wissen Sie, wo Sie mich finden.«
Für einen Augenblick verkrampften sich ihre Schultern. Dann war sie fort.
Stone stellte den Rasenmäher im Geräteschuppen ab und setzte sich auf die Veranda. Gelassen betrachtete er die Grabsteine, während kühler Wind aufkam.
KAPITEL 43
Als ein Mann den Lesesaal betrat, stand Caleb auf und begrüßte ihn. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Roger Seagraves zeigte Caleb seinen Bibliotheksausweis, den jeder Bürger gegenüber im Madison Building gegen Vorlage eines Passes oder Führerscheins erhalten konnte, ob echt oder falsch. Der Name auf dem Bibliotheksausweis lautete William Foxworth, und das Foto auf der Karte zeigte ihren Inhaber. Diese Daten waren auch im Computersystem der Kongressbibliothek gespeichert.
Seagraves’ Blick schweifte über die Lesetische, an denen ein paar Leute saßen. »Ich suche ein bestimmtes Buch.« Er nannte Caleb Autor und Titel.
»Gut. Haben Sie ein besonderes Interesse an diesem Gebiet?«
»Ich habe viele Interessen«, antwortete Seagraves. »Dieses Gebiet deckt nur eine meiner Neigungen ab.« Einen Moment lang musterte er Caleb, als überlegte er, was er sagen sollte. Tatsächlich jedoch hatte er seinen Auftritt sorgsam geplant und sich gründlich über Caleb informiert. »Ich sammle auch Bücher, stehe aber noch am Anfang. Kürzlich habe ich einige Werke der englischen Literatur erworben, die ich gern von einem Experten begutachten lassen möchte. Ich glaube, das hätte ich tun sollen, bevor ich sie gekauft habe, aber wie erwähnt, leider bin ich noch Anfänger. Vor einer Weile bin ich zu etwas Geld gekommen, und mein Bruder hat jahrelang in einer Bibliothek gearbeitet. Interesse an Büchern habe ich schon immer gehabt, aber jetzt merke ich, dass ernsthaftes Sammeln ein ganz anderes Kapitel ist.«
»Vollkommen richtig«, bestätigte Caleb. »Und es kann reichlich
Weitere Kostenlose Bücher