Camel Club 02 - Die Sammler
sich ein altes Brett, um eine Waffe zu haben, während er sich auf dem Dachboden umschaute. Aber außer ihm war niemand mehr da; er war völlig allein. Doch ohne jeden Zweifel hatte irgendwer ihm einen hinlänglich kräftigen Schlag auf den Kopf versetzt, um ihm das Bewusstsein zu rauben.
Er hörte Lärm auf der Straße und schaute zum Fenster hinaus. Unten standen Feuerwehrfahrzeuge aufgereiht, deren Mannschaften den Brand löschten. Außerdem sah Reuben mehrere Polizeiautos auf und ab fahren.
Er rieb sich den Hinterkopf und blickte hinüber zu Behans Villa. Die komplette Beleuchtung war eingeschaltet. Als er Polizisten ins Gebäude gehen sah, wurde Reuben flau in der Magengegend. Er wankte durch den Dachboden und spähte durchs Fernrohr. Im Schlafzimmer war noch Licht, doch inzwischen herrschte dort eine ganz andere Art der Geschäftigkeit.
Cornelius Behan, noch vollständig bekleidet, lag mit dem Gesicht auf dem Fußboden. In seinem Hinterkopf klaffte ein Loch, und Blut hatte sein Haar noch roter als zuvor gefärbt. Die junge Frau saß mit dem Rücken ans Bett gelehnt. Reuben sah karmesinrote Spritzer in ihrem Gesicht und auf dem Busen. Offenbar hatte auch sie einen Kopfschuss erhalten. Es wimmelte von uniformierten Polizisten und Beamten in Zivil.
Mein Güte, wie lange bin ich ohnmächtig gewesen?, fragte sich Reuben. Doch was er als Nächstes sah, trieb ihm jeden anderen Gedanken aus.
Das Schlafzimmer-Oberlicht hatte zwei Einschusslöcher; und das Bleiglasfenster, durch das Reuben blickte, wies zwei genau passende Durchschüsse auf. »Ach du Scheiße«, rief Reuben und rannte zur Tür, stolperte und stürzte. Als er um sich griff, um sich abzufangen, bekam seine Faust etwas zu fassen. Und als er sich aufrichtete, hielt er ein Gewehr in der Hand – offenbar die Waffe, die soeben benutzt worden war, um zwei Menschen ins Jenseits zu befördern.
Sofort ließ Reuben das Gewehr fallen und stürmte die Stiege hinunter, indem er jeweils zwei Stufen auf einmal hinabsprang. Als er durch die Küche rannte und dort seine Essensreste stehen sah, begriff er, dass überall im Haus seine Fingerabdrücke zu finden waren, doch deswegen durfte er sich jetzt nicht den Kopf zermartern. Er eilte zur Hintertür hinaus.
Ein Lichtkegel traf ihn mitten ins Gesicht, und er riss die Hand hoch, um die Augen zu schützen.
»Stehen bleiben!«, schnauzte eine Stimme ihn an. »Polizei!«
Kapitel 44
»Ich habe ihm einen Anwalt besorgt«, sagte Caleb. »Einen jungen Juristen, der noch keine hohen Honorare fordert. Aber was er draufhat, weiß ich nicht. Ich habe eine Notlüge aufgetischt und behauptet, ich hätte Reuben mit der Bewachung der Büchersammlung beauftragt, und deshalb hätte er den Schlüssel gehabt und den Zahlencode der Alarmanlage gekannt. Diese Aussage habe ich auch bei der Polizei gemacht. Ich habe ihr auch Jonathans Anwalt genannt, sodass sie sich davon überzeugen kann, dass ich sein literarischer Nachlassverwalter bin.«
Milton und Caleb saßen mit Stone in seinem Friedhofsgärtnerhäuschen. Die bestürzende Neuigkeit, dass man Reuben unter dem Verdacht verhaftet hatte, Cornelius Behan und seine Gespielin ermordet zu haben, rief bei den Freunden düstere Mienen hervor.
»Ob er auf Kaution freikommt?«, fragte Milton.
Stone schüttelte den Kopf. »Angesichts der persönlichen Situation Reubens und der Umstände dieses Falles bezweifle ich es. Aber vielleicht zieht man Calebs Aussage in Betracht und gibt den Verdacht auf.«
»Heute früh habe ich kurz mit Reuben gesprochen«, erzählte Caleb. »Er sagte, er hätte Behans Haus beobachtet, da wäre er mit einem Schlag auf den Kopf ins Reich der Träume geschickt worden. Als er zu sich kam, sah er, dass Behan und die Frau tot waren. Als er aus dem Haus lief, hat die Polizei ihn gestellt.«
»Dass Behan mitsamt nackter Gespielin tot in dem Schlafzimmer lag, ist natürlich ein gefundenes Fressen für die Presse«, meinte Milton. »Mrs. Behan«, fügte er hinzu, »war anscheinend über Nacht in New York.«
»Wir müssen unbedingt den wahren Mörder aufspüren«, stellte Stone fest.
»Und wie wollen wir das machen?«, fragte Milton.
»Indem wir unsere Nachforschungen weiterführen.« Stone warf Caleb einen strengen Blick zu. »Wir müssen uns die Überwachungsvideos der Bibliothek ansehen.«
»Susan hat versprochen, mir zu helfen. Aber ich habe nichts mehr von ihr gehört.«
»Dann schlage ich vor, du denkst dir selbst etwas aus.« Caleb wirkte verdutzt,
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