Camel Club 02 - Die Sammler
nichts tun, was das Buch beschädigen könnte«, verlangte Caleb in strengem Tonfall. »Es ist ein bedeutendes Stück Literaturgeschichte.«
»Drehen Sie sich um, und sehen Sie selbst.«
Ruckartig wandte Caleb sich um und sah das Buch, aber auch ihre entblößten weißen Schenkel und einen schmalen Streifen ihres Höschens, sodass er nach Luft schnappte.
»Ich glaube, das Büchlein wird dort ganz zufrieden sein, Caleb, oder?«, fragte sie mit kehliger Stimme.
»Niemals in all meinen Jahren in dieser ehrwürdigen Institution …«, begann Caleb, doch ihm versagte aus Entgeisterung die Stimme. Aber er nahm den Blick nicht von Annabelles Beinen, und das Herz pochte ihm heftig in der Brust.
Langsam strich Annabelle den Rock abwärts und lächelte schelmisch. »Und Sie haben jede Sekunde genossen.« Im Vorbeigehen stieß sie ihn mit der Hüfte an. »Wir sehen uns bei Oliver, alter Schürzenjäger.«
KAPITEL 54
Erst geraume Zeit nach Annabelles bemerkenswerter Zuschaustellung erholte Caleb sich weit genug von seinem Schock, dass er zumindest so tun konnte, als würde er arbeiten. Aber schon wenig später unterbrach ihn Kevin Philips, indem er den Lesesaal betrat und zu ihm an den Schreibtisch kam. »Caleb, würden Sie bitte mal mit hinauskommen?«, fragte er leise.
Caleb stand auf. »Natürlich, Kevin. Was ist denn los?«
Philips wirkte tief besorgt. »Die Polizei ist da«, teilte er Caleb im Flüsterton mit. »Sie will mit Ihnen reden.«
Schlagartig wurde Caleb zumute, als befiele ihn vollständiges Organversagen. Seine Gedanken rasten, während er sich verzweifelt fragte, aus welchen verhängnisvollen Gründen die Polizei wohl an seinem Arbeitsplatz aufkreuzte. War das verdammte Weib mit dem gleich neben ihrem Schritt befestigten Buch ertappt worden und hatte ihn als Komplizen genannt? Hatte Jewell English Lunte gerochen, den Diebstahl ihrer Brille angezeigt und ihn als Verdächtigen denunziert? Wurde er, Caleb Shaw, etwa demnächst auf dem elektrischen Stuhl geröstet?
»Äh, Caleb, wären Sie wohl so freundlich aufzustehen«, drängte Philips mit gedämpfter Stimme, »und mich nach draußen zu begleiten?«
Caleb hob den Blick und merkte, dass er den Stuhl verfehlt hatte und stattdessen auf dem Fußboden saß. Kreidebleich rappelte er sich auf. »Was mag sie von mir wollen, Kevin?«, fragte er mit so viel gespielter Überraschung, wie er momentan zustande bringen konnte. Lieber Himmel, hoffentlich komme ich nicht in die Hochsicherheit, sondern in einen normalen Knast.
Vor dem Lesesaal geleitete Philips ihn zu den Polizisten, zwei Zivilbeamten, die in verbeulten Anzügen undeutbare Mienen zur Schau trugen, und ließ Caleb, obwohl er ihm flehentlich nachblickte, mit den Beamten allein. Die beiden Männer gingen mit Caleb in ein leeres Büro. Der Weg gestaltete sich langwierig, weil es Caleb äußerste Mühe bereitete, die Bewegungen seiner Beine zu koordinieren. Und weil er keinen Tropfen Speichel mehr im Gaumen hatte, brachte er auch kein Wort über die Lippen. Gab es in Gefängnissen eigentlich Bibliotheken? Musste er gar jemandem den Hintern hinhalten?
Der größere der beiden Männer schwang sein Gesäß auf den Schreibtisch, während Caleb sich verkrampft an die Wand stellte und die seit dem Miranda-Urteil vorgeschriebene Warnung, das kalte Eisen der Handschellen und das Ende seines gutbürgerlichen Daseins erwartete. Sein Niedergang vom Bibliothekar zum Häftling vollzog sich anscheinend sehr schnell.
Der andere Beamte zog einen Schlüsselbund aus der Tasche. »Hier sind Schlüssel zu DeHavens Haus, Mr. Caleb.« Indem er zittrig die Hand ausstreckte, ergriff Caleb die Schlüssel. »Wir hatten sie bei Ihrem Freund Reuben Rhodes sichergestellt.«
»Einen Freund würde ich ihn nicht nennen«, plapperte Caleb, »eher einen entfernten Bekannten.«
Die beiden Polizisten wechselten einen Blick. »Auf jeden Fall wollten wir Ihnen mitteilen«, sagte der größere Mann, »dass er gegen die Verpflichtung, zur Verhandlung zu erscheinen, vorerst auf freien Fuß gesetzt worden ist.«
»Heißt das, dass Sie ihn nicht mehr als Tatverdächtigen einstufen?«
»Nein. Aber wir haben Ihre und seine Darstellung verglichen. Bis auf weiteres wollen wir es dabei bewenden lassen.«
Caleb starrte auf die Schlüssel. »Darf ich das Haus betreten, oder ist es amtlich versiegelt?«
»Wir haben die Spurensicherung in DeHavens Haus beendet, also dürfen Sie jederzeit hinein. Aber halten Sie sich … äh … für
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